Ich bin den Herausgeberinnen von "mittelloge.de" sehr dankbar dafür, daß sie mir hier die Möglichkeit geben, diesen Aufruf zu veröffentlichen. Ich bin derzeit damit befaßt, für eine großangelegte Forschungsarbeit Material zu sammeln und wäre für Unterstützung dankbar. Nachdem bereits E. Henscheid in seinem bahnbrechenden Essay zu "Un ballo in maschera" ("Das dreizehnte ‚Addio' war tödlich") die besondere Bedeutung bestimmter Wörter in der italienischen Oper exemplarisch herausgearbeitet hat, möchte ich mich in meiner nächsten Arbeit mit der Bedeutung der zwei gefährlichsten Ausdrücke der italienischen Oper befassen: dem "coraggio" (Mut) und dem "non piu" (nicht mehr).

Das Wort "coraggio" sollte nach meinem Dafürhalten immer vermieden werden, da es grundsätzlich zu mißlichen Situationen führt: Im "Babiere di Siviglia" wechseln Almaviva und Figaro dieses Wort bei ihrem Einsteigen in Bartolos Haus - und werden prompt erwischt. In "La Traviata" spricht sich Alfredo "coraggio" zu, bevor er Violettas Brief liest, in dem sie ihm mitteilt, daß sie ihn verlassen hat. In "Bohème" versucht Marcello Rodolfo mit diesem Wort Mut zuzusprechen, weil Mimi gerade verstorben ist, was Rodolfo noch nicht aufgefallen ist. In "Pagliacci" sagt Canio dieses Wort, bevor er die Bühne betritt, um Nedda und Silvio zu töten. Das artverwandte "Fa cor" benutzt Posa in der Kerkerszene des "Don Carlos", bevor die Schergen des Königs ihn erschießen...

Der Ausdruck "non piu" führt sogar noch direkter zum Tod. Man denke nur an das "non piu" der Verschwörer im dritten Akt von "Un ballo in maschera" auf Renatos Frage "Hesitate?" Nun, am Ende ist Riccardo/Gustavo dahin. In Verdis "Stiffelio" ist sogar die Grundstrukur noch sichtbarer. Stiffelio äußert zu seiner Frau, auf das Nebenzimmer deutend: "E là." (Er ist da drinnen). Sein Schwiegervater kommt aus diesem Zimmer und schüttelt den Kopf: "Non piu" (nicht mehr). Der gute Stankar hat nämlich gerade den sich im Nebenzimmer aufhaltenden Liebhaber seiner Tochter erstochen.

Gibt es noch mehr Situationen, in denen die beiden erwähnten Ausdrücke in gleicher Weise vorkommen? Oder gibt es gar eine Ausnahme, wo es nach einem dieser Worte keine Toten oder sonstiges Entsetzen gibt? Dann wäre ich Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mir die entsprechende Stelle benennen könnten und zwar unter der e-mail CaroleThura@aol.com.

Bei der Gelegenheit würde ich mich ebenfalls freuen, wenn mir jemand erklären könnte, warum in der italienischen Oper "mezzanotte" (Mitternacht) immer nur durch sechs Glockenschläge angekündigt wird anstatt durch zwölf (rühmliche Ausnahme: "Falstaff"). Mit vielen Dank im Voraus
Dr. Carole Thura