"DER FLIEGENDE HOLLÄNDER" - 8. Februar 2003

Der Name Harry KUPFER steht seit Jahrzehnten für ein zeitloses Regietheater mit intelligenter Personenführung. Das stellte er auch mit der Produktion vom „fliegenden Holländer“ an der Staatsoper Unter den Linden aus dem Jahre 2001 unter Beweis. Er erzählt die Geschichte aus der Sicht Sentas, die fast den ganzen Abend präsent ist. Schon während des Vorspiels steht sie auf einer großen in der Bühnenmitte postierten Wendeltreppe, die sie erst zu ihrem „Auftritt“ verläßt und die ein Symbol für ihre (gewollte?) Abgeschiedenheit darstellt. Auch der Holländer hat einen solchen Mikrokosmos, dessen Position jedoch für die auf der linken Seite in den Rängen sitzenden relativ ungünstig ist. Die meisten seiner Auftritte erfolgen mit einem großen, fliegenden Schiff auf dessen Bugspriet, der ob seiner Form sämtlichen Freudianern die Freudentränen in die Augen triebe.

Da jeder mit seiner eigenen Welt verwurzelt ist, ist es nur allzu logisch, daß zwischen beiden Protagonisten keine großen, äußerlichen Emotionen aufkochen. Das Auftreten Eriks mit Anzug, Schlips, Krawatte und Blumenstrauß wirkt zunächst etwas eigenartig, doch bei näherer Betrachtung macht auch das Sinn. Senta ist ihres bisherigen biederen Lebens überdrüssig und sucht nach Abwechslung. Erwähnenswert ist auch der Auftritt des Holländers mit Daland, der in Mafia-Kleidung und grellem Scheinwerfer von hinten erfolgt. Das Bühnenbild von Hans SCHAVERNOCH besteht aus einer großen verschiebbaren Fensterwand und aus überwiegend grauen symbolisierten „Meer-Utensilien“, wie z.B. einem Eisberg, wenn die Titelfigur anwesen ist. Buki SHIFF entwarf die Kostüme. Die Chordamen tragen Röcke, Senta ein dunkelweißes Kleid, Daland und Erik Anzug und der Holländer ein enggeschnittenes schwarzes T-Shirt (eine Art nordischer Latin-Lover-Look).

Anne SCHWANEWILMS ist keine Hochdramatische, die die Senta mit dem musikalischen Verständnis einer Brünnhilde verwechselt, sondern gestaltet die Partie mit feinsten, perfekt gestützten Piani. Was ich gelegentlich an Dramatik vermißte, machte sie durch ihre Darstellung wett.

Falk STRUCKMANN gibt mir ein großes Rätsel auf. Er ist kein sonderlich toller Schauspieler und seine Stimme ist auch alles andere als das, was man gemeinhin als „schön“ bezeichnet und trotzdem geht von ihm eine ungeheure Faszination aus, die seinen Holländer zu einem Erlebnis machten, denn er versteht es, sein Instrument auch mal „schön“, nahezu liedhaft klingen zu lassen, da nimmt man auch eine leicht dünne Höhe in Kauf.

Kwangchul YOUN gab einen darstellerisch juvenilen Daland. Auch gesanglich war das eine sehr gute Leistung von ihm, dem allerdings etwas die Schwärze eines echten Basses fehlt.

Als Erik enttäuschte Robert KÜNZLI. Er verfügt über eine schüttere Stimme und bleibt der Rolle in jeder Hinsicht doch sehr viel schuldig. Dachte man bei einigen Passagen, daß er sich nun eingesungen hat, wurde die Hoffnung, endlich mal einen guten Erik zu hören, schnell wieder zerschlagen.

Dietmar KERSCHMBAUM überzeugte vor allem. bei den lyrischen Passagen des Steuermanns, forcierte jedoch sehr stark bei den hohen forte-Phrasen, Uta PRIEW präsentierte einen ausgesungenen Alt als Mary.

Am Pult der STAATSKAPELLE BERLIN waltete Simone YOUNG. Sie hielt das Orchester gut zusammen, ließ aber dennoch das gewisse Etwas ein wenig vermissen. Das Meer war mir nicht wild genug, dennoch war es eine durchaus anhörbare Leistung. Insbesondere den Paukisten Willi HILGERS gilt es, hervorzuheben, der mehr als einmal die Frage nach dem „Vernichtungsschlag“ eindringlich beantwortete. Der STAATSOPERNCHOR unter Eberhard FRIEDRICH war nicht immer ganz zusammen, bot aber nicht dieses seemännisch-raue Element, sondern schlug auch leise Töne an.

Ein Greuel war das Publikum, das unglaublich unruhig war, und es sich nicht nehmen ließ, nach dem Duett Senta-Holländer seinen Gefallen kundzutun, zumindest ein kleiner Teil des Auditoriums.
Wolfgang Schmoller