REINER GOLDBERG: 25 Jahre Tannhäuser

Daniel Barenboim hat sein Jahrzehntprojekt als künstlerischer Leiter an der Berliner Staatsoper Unter den Linden verwirklicht, und mit dem “Fliegenden Holländer” in der letzten Spielzeit den kompletten Wagner auf den Spielplan gebracht. Die szenische Realisierung lag für alle Produktionen in den Händen von Harry KUPFER. Der selten gespielte, aber nicht zu unterschätzende “Rienzi” sollte in der nächsten Spielzeit folgen, wurde aber kurzfristig in Verdis “Don Carlo” verwandelt.

Eine Wiederaufnahme der im Jahre 1999 entstandenen “Tannhäuser”-Produktion bescherte am Sonntag eine interessante und hörenswerte Besetzung mit Dresdner Künstlern. Der dreiundsechzigjährige Reiner GOLDBERG feierte in der Titelpartie an diesem Haus ein “Comeback”, und die frisch gebackene Dresdner Kammersängerin Evelyn HERLITZIUS interpretierte die Venus und die Elisabeth erstmals an einem Abend gleichzeitig.

Harry Kupfers Dresdner “Tannhäuser” aus dem Jahre 1978 wird wohl noch vielen Dresdnern in Erinnerung sein. Der Tannhäuser der Premiere am 10. Dezember 1978 war Reiner Goldberg. Es sollte der Durchbruch für den Heldentenor werden, der nach seinem Gesangsstudium bei Arno Schellenberg an die Landesbühnen Sachsen verpflichtet wurde und seit 1973 zum Ensemble des Dresdner Staatstheaters gehörte. Diese Produktion ebnete ihm den Weg auf die bedeutendsten Bühnen der Welt.

Mit Beginn der achtziger Jahre verließ Reiner Goldberg Dresden und wechselte in das Ensemble der Staatsoper Unter den Linden. Es folgten Engagements für die großen Wagnerpartien nach Wien, New York und Bayreuth, um nur drei Meilensteine zu nennen. Herbert von Karajan holte Goldberg zu den Osterfestspielen nach Salzburg, um ihn als Erik im “Fliegenden Holländer” zu begleiten. James Levine verpflichtete ihn als Siegfried für die CD-Einspielung der “Ring”-Produktion von der Deutschen Grammophon nach New York; während Bernhard Haitink seinen Siegmund (“Walküre”) für die Nachwelt mit dem Orchester des Bayerischen Rundfunks dokumentierte. Wohl eine der gelungensten Aufnahmen aus Goldbergs Diskographie, deren Interpretation für die nächste Zukunft keine Konkurrenz fürchten muß.

Reiner Goldberg ist kein hochgestemmter Bariton, kein forcierter lyrischer Tenor - er ist ein vom Aussterben bedrohter Heldentenor in der Tradition eines Max Lorenz oder Bernd Aldenhoff. Sein individuelles Timbre umfaßt sinnliche, fast süßliche Klangfarben in der Mittellage und im Passagio, während metallisch-leuchtende Spitzentöne und Durchschlagskraft den Stimmtypus “Heldentenor” prägen.

Wie am Sonntag zu erleben war, gehören Sicherheit im hohen Register und starker emotionaler Einsatz in der Sprachbehandlung auch nach 25 Jahren “Tannhäuser” zu seinen Stärken.

Leider mußte Goldberg in den letzten zehn Jahren an seinem Stammhaus zu oft auf der Auswechselbank sitzen, denn Barenboim zog sich für seine Produktionen anderer Künstler vor. Gern hätte man den von Goldberg studierten und geliebten, aber nie auf der Bühne verkörperten “Tristan” erlebt.

Zurück zur Wiederaufnahme am 11. Mai: Das Publikum feierte Evelyn Herlitzius für ihre Darstellung und den vokalen Einsatz der grundverschiedenen Frauenpartien frenetisch, und Reiner Goldbergs Marktwert konnte aus dem Bravosturm entnommen werden.

Die gut disponierte STAATSKAPELLE BERLIN leitete Sebastian WEIGLE beispielgebend mit jugendlicher Frische und leidenschaftlicher Glut.

Wer Reiner Goldberg das nächste Mal in Dresden hören will, kann im Rahmen der Dresdner Musikfestspiele am 8. Juni im Stallhof Hans-Jürgen Syberbergs Film “Parsifal” sehen, in dem der Tenor der Titelgestalt 1981 seine Stimme verliehen hat. Im Semperbau ist er für die nächste Spielzeit als Aegisth in “Elektra” vorgesehen. Tobias Kade