LIEBESERKLÄRUNG

Kennen Sie auch eine Inszenierung, die vielleicht ein bißchen anstaubt und so richtig plüschig ist, die einen festen Platz im Repertoire Ihres Lieblingsopernhauses hat und auf die Sie sich jede Spielzeit aufs Neue freuen? Nicht etwa, weil es jedes Jahr dafür die Starbesetzung gibt, sondern weil Ihnen Konzept, Bühnenbild und Kostüme zum Einen und zum Anderen die auftretenden Ensemblemitglieder ans Herz gewachsen sind.

Meine Liebe zu Carl RIHAs „Tosca“ an der Berliner Staatsoper begann vor mehr als zehn Jahren, als ich nach einigen Beinahe-Schocks hier schließlich ein Opernerlebnis hatte, wie ich es mir zu dieser Zeit als Ideal vorstellte. Im Bühnenbild von Wolfgang BELLACH ist die Kirche eine Kirche, Scarpias Arbeitsraum mit angeschlossener Folterkammer das Refugium eines Mannes, der zu leben versteht, und der dritte Akt spielt augenscheinlich in einem Gefängnis.

Sie finden das kitschig? Nun, Meinungen fallen eben verschieden aus. Ich habe jedenfalls mein Herz an jene Inszenierung verloren, und die beiden Vorstellungen im Dezember 2003 bestätigen ein weiteres Mal meine positiven Argumente für diese Arbeit.

Norma FANTINI lieferte zwei höchst unterschiedliche Leistungen ab. Während sie am 12. streckenweise unkonzentriert wirkte und eher stimmliches Mittelmaß über die Rampe brachte, lief sie am 20. zu einer überraschend guten Form auf. Ihr Gesang wirkte von Beginn an wesentlich lebendiger. Sie war bedeutend engagierter.

Vielleicht lag es am tenoralen Partner. Carlo VENTRE (12.) verbreitete eher Langeweile. Man gewann rasch den Eindruck, daß er sich am liebsten selbst zuhört. Seine Leistung entsprach dem allerdings nicht, so daß der Abend für mich zweiaktig blieb.

Wesentlich besser klang Vladimir GALOUZINEs Cavaradossi. Nein, tatsächlich es war eine ganz andere Spielklasse, die man am 20. hören durfte. Ein kraftstrotzender Tenor mit einer gesunden, sicheren Höhe und der Fähigkeit zum differenzierten Spiel. Künstler, Liebhaber, Revolutionär und Leidender – eben all das, was die Figur ausmacht, fand sich in seinen Interpretation wieder.

Lucio GALLOs Scarpia wirkte in beiden Vorstellungen gefährlich. Allerdings schien diese Gefahr für Leib und Leben der anderen jeweils unterschiedliche Ursachen zu haben. Am 12. zeigte der römische Polizeichef deutliche Anzeichen einer Schizophrenie. Eine interessante Deutung für Scarpias Machtbessenheit und seine Grausamkeit. Mir persönlich war allerdings der elegante Politiker mit Ambitionen auf Höheres und einem gesunden Appetit auf weibliche Reize am 20. lieber. Vielleicht, weil er einfach sympathischer war.

Sehr gespannt war ich auf seine musikalische Interpretation. Nach den diversen „Macbeth“-Vorstellungen war natürlich klar, daß man sich entspannt zurücklehnen und genießen konnte, doch die Vielseitigkeit des Baritons überrascht immer wieder. So auch diesmal. Sicher zeigte er eben nicht nur im Spiel, sondern schon allein mit seinem Gesang gekonnt die unterschiedlichen Stimmungen auf.

Bernd ZETTISCH (Mesner), Andreas SCHMIDT, Tenor (Spoletta) und Bernd RIEDEL (Sciarrone) sind das Team, das Puccinis „Tosca“ an der Staatsoper selbst bei weniger Protagonisten-Besetzungsglück zum Ereignis macht. Es macht immer wieder Spaß, sie in der jeweiligen Rolle zu erleben.

Dan ETTINGER konnte in puncto Inspiration mit seinem Dirigat nicht ganz an die gewohnte Klasse des Hauses Anschluß halten, doch es war eine gute, souveräne Leitung des Abends.

Für den STAATSOPERNCHOR und die STAATSKAPELLE gehen mir langsam die Superlative aus. Auch an diesen beiden Abenden zeigten sie wieder ihre außerordentliche Qualifikation. Ein beeindruckend hohes, musikalisches Niveau! AHS