"LADY MACBETH VON MZENSK" - 28. Oktober 2003

Zu Beginn ihres fünftägigen Gastspiels anläßlich der Berliner Festwochen hatte das Petersburger Mariinsky-Theater Schostakowitschs „Lady Macbeth“ im Programm. Die Produktion der bereits verstorbenen Irina MOLOSTOWA ist zwar schon einige Jahre alt, aber das Mariinsky entzieht sich dem Wahn um eine Aktualität um jeden Preis ja bei vielen Stücken mit steter Konsequenz. Und nicht zu Unrecht. Die Lady paßt nun einmal in eine ländliche Umgebung im tiefen Russland zu grauer Zeit. Frau Molostowa läßt aber dennoch nicht alles ins Düstere versinken. Die dominierende Fassade des Kaufmannhauses erstrahlt in hellem freundlichen Holz (Bühne Georgi TSYPIN). Eigentlich durchaus geeignet für ein fröhliches, lustvolles Landleben. Aber der Mensch ist des Menschen Wolf, und so nimmt das mörderische Schicksal der Katerina Ismailowa seinen Lauf.

Die Sänger also bestimmen diese Produktion. Allen voran Irina LOSKUTOWA in der Titelrolle. Wie sie zunächst zurückhaltend, dann kecker werdend sich in die rasende Leidenschaft steigert und am Ende in mörderische Verzweiflung verfällt ergibt ein facettenreiches Bild dieser komplexen Figur. Auch Oleg BALASCHOW als Liebhaber Sergej überzeugt mit strahlender Stimme und leichtlebiger Oberflächlichkeit.

Gennadi BESSUBENKOWs Baß hat schon bedrohlicher und profunder geklungen. Dieser Schwiegervater ist eher kauzig, denn übermächtig tyrannisch, fast ist man geneigt zu sagen, daß es zuviel ist, ihn gleich zu ermorden. Apropos kauzig: Fedor KUSNETZOW spielt einen wundervoll komischen Popen, ein genußvoller komischer Gegenpunkt, wie auch Juri ALEXEJEW als Sinowij.

Absolute Rückendeckung bekommen die Sänger von ihrem ORCHESTER unter Valery GERGIEV. Da, wo die Produktion vielleicht zuwenig Biß hat, ist die Musik immer dem Punkt. Jede Phrase wird ausmusiziert, jeder grelle Ton, jede Nuance sitzt. Gergiev ist wieder einmal Theatermann durch und durch, hat ein Gespür für die Situation und holt alles heraus. Da blitzen Komik und Dramatik nebeneinander auf, und die Geschichte steigert sich bis zum hochdramatischen Ende.

Und dabei war das an diesem Abend gar nicht so einfach, denn der Sponsor hatte eine zweite Pause eingefordert, damit seine Gäste sich bei Schnittchen und Sekt zwischendurch erholen konnten. Das aber riß die Aufführung gefährlich auseinander. Nach nunmehr fast vier Stunden konnte man dennoch sehr zufrieden nach Hause gehen. KS