"DON QUIJOTE DE LA MANCHA“ - 24. Oktober 2004

Selten hat mich ein Stück und dessen Realisierung so ratlos gelassen wie Hans Zenders „Don Quijote“-Oper, zu der er auch selbst den Text nach Cervantes’ Roman geschrieben hat. Die Zeitgenössiche Oper Berlin in Zusammenarbeit mit der Komische Oper bot das 1993 uraufgeführte und hier in einer neunzigminütigen Bearbeitung gespielte Stück dar, ohne daß sich mir erschloß, was Komponist und Librettist Zender damit eigentlich sagen wollte.

Das Stück folgt den diversen Abenteuern des Ritters von der traurigen Gestalt, aber es wird der Vorlage nicht gerecht. Es wird weder deutlich, weswegen Quijote die Ritterwelt der realen vorzieht, oder was ihn an fahrenden Rittern so fasziniert, noch warum Sancho ihm eigentlich folgt. Die tragikomische Aussage des Stoffes geht völlig unter. Es fehlt auch musikalisch an unterschiedlichen Sprachen zwischen Realität und Einbildung. Alles klingt mehr oder weniger gleich, wie es halt in zeitgenössischen, atonalen Opern klingt. Es bleibt nichts tatsächlich in Erinnerung.

Am Schluß gibt es vor den letzten Bildern eine Ouvertüre, was dann auch groß auf dem Vorhang mitgeteilt wird. Zu guter Letzt geht das ganze Stück in einer Art pantomimischem Zeitraffer von vorne los; man sieht zahllose ausgewählte Szenen, die schon beim ersten Ansehen nicht wirklich aufregend waren.

Regisseurin Sabrina HÖLZER läßt das Stück auf verschiedenen Ebenen spielen. Ihre Ausstatterin Mirella WEINGARTEN hat ihr hierfür eine Art Gerüst gebaut. Problem dieser Lösung ist, daß sich die verschiedenen Figuren nicht begegnen, da sie sich immer auf unterschiedlichen Etagen des Gerüstes befinden. Dies mag zu Beginn durchaus einen gewissen Reiz haben, so daß Quijote alle Beziehungen zu seiner realen Welt verloren hat, wird auf die Dauer jedoch langweilig, zumal er ja gerade als Kontrast zur realen Welt wirkt. Die Kostüme mit der vorherrschenden Farbe weiß, ergänzt teilweise durch diverse Röhrenkonstruktionen, tragen auch nicht wirklich zum Verständnis bei.

Einzig der Moment, als die Nebenpartien aus dem Off in einer Mischung aus Nachbarschaftsklatsch und Polizeibericht über Don Quijotes Taten kommentieren, hatte etwas Originelles. Bezeichnenderweise war dies der Moment, in welchem gesprochen wurde, und die Musik schwieg.

Tom SOL in der Titelrolle sang die Partie sehr ordentlich. Einige rauhere Töne waren zu vernachlässigen, allerdings hätte er deutlich mehr Persönlichkeit benötigt, um wirklich in Erinnerung zu bleiben. Mark BOWMAN-HESTER als Sancho zeichnete sich durch ein unangenehm grelles Timbre aus; die Stimme klang in der Höhe gequält.

Die Damen Ksenija LUKIC, Franziska GOTTWALD und Maria KOWOLLIK (unter anderem als dreigeteilte Dulcinea) waren allein sehr anhörbar, aber harmonierten im Zusammenklang nicht perfekt. Bewundernswert präzise und klangschön waren die unter anderem als Lektoren besetzten Patrick BUSERT, Jonathan DE LA PAZ ZAENS und Christoph KÖGEL, während die weiteren Herren Lothar ODINIUS, Nicholas ISHERWOOD und Gavin TAYLOR ihren mehreren Rollen angemessen nachkamen. Was genau Tänzer Daniel YAMADA darstellen sollte, ist mir auch jetzt noch nicht klar.

Das ORCHESTER folgte Rüdiger BOHN sehr aufmerksam. Der Dirigent schaffte es, alle Beteiligten zusammenzuhalten und war überaus präzise, was angesichts des Bühnenbildes, in dem die Sänger ihre Partner meist nicht sehen können, besonders zu loben ist.

Ich glaube nicht, daß es zwischen dem Stück und mir eine weitere Begegnung geben wird. Eigentlich gebe ich fast jedem und allem eine zweite Chance, aber hier wüßte ich wirklich nicht, warum. MK