"DIE TOTE STADT" - 21. Februar 2006

"Die tote Stadt" ist ein kompliziertes Stück mit viel Symbolismus, das sicherlich nicht einfach auf die Bühne zu bringen ist. Philippe ARLAUD (auch Bühnenbild und Licht) hat hier einen Weg gewählt, der mich nicht überzeugen kann. Er überfrachtet die Produktion mit zahllosen Dingen; so setzt er eine ARTISTENGRUPPE ein, die ihre Arbeit gut macht, aber weder das Stück durchschaubarer werden läßt, noch irgendwelche Erkenntnisse bringt, sondern den Zuschauer lediglich ablenkt. Auch das ständig herumhüpfende BALLETT (Choreographie: Anne Marie GROS), das zeitweilig alles andere als synchron tanzt, erhellt den Konflikt und sein Nichtloslassenkönnen nicht. Warum können oder wollen Regisseure sich nicht mehr darauf verlassen, daß die Sänger die Bühne füllen?

Die Bühne, auf der sich, etwas abgesenkt, Pauls "Schrein" für Marie befindet, ist von modernem Design, welches weder bemerkenswert spannend, noch störend ist. Bundgekleidete Kirchenprozessionen sind auch nicht neu, wippende Nonnenröcklein ebenfalls nicht. Letztendlich hätte man in den gleichen Kulissen, in den gleichen Kostümen (Andrea UHMANN) auch jedes andere Stück spielen können.

Eine "Tote Stadt" steht und fällt mit den Hauptpartien. An diesem Abend fiel sie. Norbert SCHMITTBERG war dem Paul in keiner Weise gewachsen und wurde am Ende mit Buh-Rufen überschüttet. Sobald für ihn Noten im Passagio oder darüber gefordert wurden, bekam die Stimme eine kaum erträgliche Enge, Töne schlugen einfach um oder wackelten heftigst. Im unteren Bereich sprach die Stimme durchaus an, oben ging nichts. Zeitweilig flüchtete er sich ins Falsettieren, so daß die zweite Strophe von "Glück, das mir verblieb" wie eine Arie Mariettas mit Nebengeräusch klang.

Von der rein stimmlichen Bewältigung der Partie war Stephanie FRIEDE als Marietta/Marie da wesentlich besser. Sie hatte die meisten Töne für die Rolle, auch wenn sich gelegentlich einige Schärfen oder hörbare Registerübergänge ausmachen ließen. Allerdings schien sie nicht wirklich etwas mit der Figur anfangen zu können. Sie blieb sehr allgemein, weder die nyphomanen, noch die leidenschaftlichen Züge von Marietta machte sie hör- oder sichtbar.

Bernd VALENTIN war als Frank offenbar als eine Art Alter ego von Paul ausstaffiert, was auf die Entfernung leicht zu Verwechslungen führen konnte. Diese gaben sich jedoch, sobald er sang, da seine stimmliche Leistung tadellos war. Daß der Bariton zu wenig individuell timbriert und etwas zu robust eingesetzt wurde, war akzeptabel. Markus BRÜCK als Fritz orientierte sich bei seinem "Mein Sehnen, mein Wähnen" sehr an prominenten Vorbildern in der Phrasierung, ohne deren Wirkung auch nur annährend zu erreichen, da ihm die technischen Möglichkeiten fehlten. Die Schwelltöne klangen eher, als seien sie im piano teilweise verschluckt worden.

Die besten Leistungen des Abends kamen von Ceri WILLIAMS als Brigitta mit wunderbar pastosen Tönen, der man kaum anlasten kann, daß dem Regisseur zu dieser Figur nichts eingefallen war, wobei sie das beste daraus machte, und von Clemens BIEBER als Victorin, der die attraktivste Männerstimme des Abends aufbot.

In den weiteren Nebenrollen waren Tina SCHERER (Juliette), Sarah VAN DER KEMP (Lucienne) und Sebastian HELLER (Gaston) von solidem Niveau.

CHOR und ORCHESTER DER DEUTSCHEN OPER waren auf guten Niveau, bei letzterem ist es meine vierte Vorstellung infolge, die es nahezu fehlerfrei blieb, was in Anbetracht früherer Leistungen ein beachtlicher Vorschritt darstellt. Am Pult war Philippe AUGUIN zu erleben, der alles ordentlich zusammenhielt und der Versuchung ob der Klangmassen nicht nachgab, auf das Orchester "zu hauen". Man könnte sich einzelne Passagen jedoch schwelgerischer, leidenschaftlicher vorstellen. MK