"UN BALLO IN MASCHERA" - 1. Juni 2009

Mit einer interessanten Inszenierung dieser hoch musikalisch durchdachen Oper von Giuseppe Verdi überraschte die Staatsoper unter den Linden seine Besucher, denn man verwendete die 1.Fassung, die 1857 nach vielen Kämpfen aufgeführt werden konnte, da sich Komponist und Textverfasser Antonio Somma nach dem Libretto von Eugène Scribe zunächst nach dem Schauspiel "Gustave III. ou le bal masque" richteten, nämlich dem historisch erwiesenen Mord an dem unglücklichen Schwedenkönig Gustav III. am 16. März 1792. Die italienische Zensur, die politische Themen in Opern nicht duldete, verbot Verdi die Oper in dieser Form aufzuführen, und der Komponist, der zunächst versuchte, selbst ein Libretto zu zimmern, verlegte die Handlung nach Amerika, nämlich nach Boston, verwandelte den unglücklichen Schwedenkönig in einen Gouverneur dort im diplomatischen Dienst, und die Oper konnte dann endlich am 17. Februar 1857 in Rom nach Genehmigung durch die päpstliche Zensur uraufgeführt werden.

Berlin hat nun diese Fassung mit 2 Figuren erweitert, in dem man die stummen Rollen einer first lady (Michaela STEIGER), nämlich eine Ehefrau des Conte Riccardo, und den Sohn Amelias und Renatos (Tim FRANKE) in die Handlung einfügte. Letzterer durfte sogar an der Verschwörung im 3. Akt aktiv teilnehmen und ließ anklingen, daß er wohl zu den zukünftigen Terroristen zählen könnte. Die Handlung selbst wurde in die Jetztzeit in eine Hotelhalle des Arvedson Palace-Hotels verlegt, in der wohl kurz davor eine Revolution ihr Ende gefunden haben mag, denn die Galgenszene in der Halle schmückten zwei soeben Aufgeknüpfte aus und erzeugten das für diesen Akt nötige Grauen Amelias, das von Ulrica empfohlene Gegenkraut für die verbotene Liebe zum Gouverneur zu finden.

Auch der "Maskenball", letztlich der Titelgeber der Oper, fand eher als Schwarzweiß-Ball statt, denn es trugen wenige dort die dafür notwendigen Masken vor dem Gesicht, und es gab keine Verkleidungen. Auch fand die Abschiedsszene Amelia/Riccardo neben den Verschwörern auf einer Hotelcouch sitzend statt, und Riccardo wurde von dem neben ihm sitzenden Renato erschossen. Als einziger war der Page Oscar (sehr gut gesungen von Sylvia SCHWARZ trotz angesagter Erkältung) als Schwan kostümiert. Ein Tanzpaar Beata und Horacio CILFUENTES sorgte für die nötige Stimmung unter den Ballgästen. Ulrica, die Wahrsagerin, war hier eine farbige Putzfrau des Hotels (sehr eindrucksvoll gesungen und dargestellt von Mariana PENTCHEVA), die von Anfang an bühnenpräsent war und auch im 3. Akt noch als sog. Todesbote durch den Ball geisterte. Das weibliche Hotelpersonal trat in Kostümen von Krankenschwestern auf (Kostüme Anja RABES), so daß man zunächst glauben muß, die Handlung der Oper fände in einem Krankenhaus statt. Alles in allem aber trotz aller merkwürdiger Inszenierungs-Ideen (Inszenierung und Dramaturgie Jossi WIELER) kann man das Dargebotene als absolut geglückt und doch durchdacht bezeichnen.

Musikalisch führte Philippe JORDAN die STAATSKAPELLE BERLIN gekonnt und routiniert durch den Abend. Die CHOReinstudierung von Eberhard FRIEDRICH zeigte sich ebenfalls als gelungen und trug ebenfalls zu dieser musikalisch hochkarätigen Aufführung bei. Denn es stand eine international und national bekannte Sängerriege auf der Bühne, allen voran Piotr BECZALA als Riccardo, dessen tenorale Steigerung in jeder Partie, die er auf der Bühne bringt, keine Grenzen aufweist und der dadurch jeden Abend, gerade in italienischen Partien, zu einem Unvergeßlichen macht. Catherine NAGLESTAD in der Rolle der Amelia konnte nach anfänglicher Zurückhaltung sich während des Abends immer mehr steigern und erwies sich dadurch als Idealbesetzung in dieser Partie. Als Renato (der historische Mörder hieß René Graf Anckarström, und man hatte die Rollenbezeichnung aus der 2. Fassung übernommen) hatte man Alfredo DAZA verpflichtet, der diese Partie gut um die Runden brachte, allerdings erklingt sein Bariton mit wenig Ausdruck und Farbe, und wirkt dadurch monoton.

Der Matrose Silvano (in dieser Inszenierung als einarmiger Kriegsversehrter) wurde gut von Viktor RUD dargestellt und gesungen, ebenso fügten sich die beiden Verschwörer Samuel und Tom (Tuomas PURSIO und Andreas BAUER) gut ein, auch Peter-Jürgen SCHMIDT und Motoki KINOSHITA in den kleinen Rollen des Obersten Richters und des Dieners der Amelia.

Diesen etwas anderen "Maskenball" zu erleben, war für einen Münchner-Opernbesucher äußerst interessant. I.St.