THE KNIGHT SIDE OF LIFE

Ich hatte diese Produktion vor einem guten Jahr bereits einmal gesehen - und war nun recht erschrocken darüber, wieviel ich von ihr bereits wieder vergessen (verdrängt?) hatte. Schlimmer ist allerdings noch, daß es seitens der Inszenierung tatsächlich auch wenig erinnerungswertes gibt. Aber zumindest musikalisch hatte ich durchaus Glück.

Scott MacALLISTER war an diesem Abend bestens disponiert. Es ist hier schon einiges über die musikalischen und darstellerischen Fähigkeiten dieses Sängers geschrieben worden. Er ist definitiv eine Bank für makellosen Wagnergesang. Überraschend war, wieviel Augenmerk er inzwischen auf eine durchdachte Textbehandlung legt. Hier bekam man, insbesondere in der Romerzählung, Nuancen zu hören, die bisher nicht da gewesen waren. Überdies hat der Tenor den feinen Klang seiner Stimme jenseits des in seinem Fach teilweise üblichen übermäßigen Krafteinsatzes weiter kultiviert.

Als Elisabeth und Venus war Petra Maria SCHNITZER eingesprungen. Im Gegensatz zur in der Premierenserie eingesetzten Sängerin gelang es ihr, beiden Figuren eine individuelle Persönlichkeit zu geben, die am Ende, wenn aus beiden ein einziges weibliches Wesen wird, aber perfekt miteinander verschmelzen. Stimmlich lag der Sängerin Elisabeth hörbar mehr, aber auch Venus lag über dem bisher gehörten Durchschnitt. Ihre Stimme klingt überraschend schön, besitzt aber genug Charakter und Eigenheiten, um eine interessante musikalische Gestaltung zu bewirken.

Wenn Dietrich HENSCHEL als Wolfram von Eschenbach nur nichtssagend und monoton gewesen wäre, hätte sich seine Darbietung als die leider übliche langweilige Zeichnung jener Figur abgetan. Hinzu kam jedoch eine Art und Weise zu singen, die irritierte. Manche Töne klangen wie verschluckt, andere einfach nur unschön. Dies war sehr schade, denn ein besser disponierter Wolfram hätte dem Abend gut zu Gesicht gestanden.

Ausgesprochen angenehm und tadellos klang der Landgraf von Reinhard HAGEN. Ein schön gesungenes Porträt mit gut gespielten Ecken und Kanten. Martina WEISCHENBACH sang den Hirten solide, mit wenig Chance zur Profilierung, weil von der Regie recht vernachlässigt (da geht mehr). Auch Jörg SCHÖRNER (Heinrich der Schreiber) und Jörg SCHÜMANN (Reinmar von Zweter) durften nicht mehr als gut singende Staffage sein.

Der Biterolf von Lenus CARLSON war mit schlechtsitzender Stimme und Intonationsproblemen mühsam anzuhören. Der Sängerkrieg geriet so beinahe zu einer Farce.

CHOR und EXTRACHOR hatten eine Handvoll gute Momente, für die sie am Ende auch entsprechend bejubelt wurden. Wirklich beeindruckend war jedoch nur der allerletzte Satz, den sie zu singen hatten. Während des restlichen Abends passierte es immer wieder, daß einzelne Stimmen herausstachen, daß es zu Koordinationsproblemen zwischen den einzelnen Stimmgruppen und Tempoverschleppungen kam. Für ein Haus dieser Größe eher peinlich.

Ulf SCHIRMER kitzelte aus dem ORCHESTER DER DEUTSCHEN OPER mehr heraus, als es so manchem Kollegen vor ihm gelungen war. Leider gab es trotzdem einige Schwächen bei den Blechbläsern. Auch die Koordination zwischen Graben und Bühne erwies sich hin und wieder als schwierig. Ganz großen Wagner gab es also nicht, aber viele wirklich schöne musikalische Momente.

Die Chance auf eine interessante Interpretation wäre dennoch gleichwohl gegeben gewesen, wenn sich diese auch in der Inszenierung wiedergefunden hätte.

Der Beginn selbiger ist beinahe spektakulär. In gleißend blauem Licht schwebt Tannhäuser (bzw. sein Double) in schimmernder Rüstung vom Bühnenhimmel den Verheißungen des Venusberges entgegen. Schade nur, daß damit bereits sämtliche Inspiration verschlissen war. Zehn interessante Minuten sind bei drei Stunden Oper einfach zu wenig.

Kirstin HARMS' Regiearbeit zeigt, was die DOB derzeit zu bieten hat: anscheinend zu viele Ritterrüstungen, eine Bühne, die sich im Ganzen oder auch geteilt rauf- und runterfahren läßt, und einige Krankenhausbetten, die man prima in mehreren Reihen auf letzterer plazieren kann. Hier wurde eine Aneinanderreihung von Szenen ohne jeglichen roten Faden auf die Bühne gebracht.

Immerhin kenne ich jetzt vermutlich beinahe jede Möglichkeit, wie der Bühnenboden des Hauses herauf- und heruntergefahren werden kann. Ich weiß nun aber zudem, daß jener Bühnenboden bei einigen dieser Bewegungen recht erbärmlich knarrt und ächzt. Ein Wissen, auf das ich gut und gerne hätte verzichten können. Über das Stück selbst hat die vorhergehende Inszenierung sicherlich mehr erzählt. Hier gibt es jetzt neben den genannten Accessoires in großer grauer Halle meist nur fröhliches Rampensingen mit und ohne ritterliche Gewandung.

Diese Inszenierung ist kein Skandal. Sie ist vornehmlich nur eines: überflüssig. Eine konzertante Aufführung hätte vermutlich auch getan. AHS