"UN BALLO IN MASCHERA" - 19. Januar 2008

Verdis "Maskenball" als eine Allegorie von Macht und Verrat in ein heißes Land der dritten Welt zu verpflanzen, war die Idee des Regisseurs Carlos WAGNER. Natürlich lag für den in Wien oft tätigen Regisseur aus Venezuela eine militärische Bananenrepublik Lateinamerikas nahe, doch ohne direkte Anspielungen. Die Idee ist nicht schlecht, und Wagner führte sie konsequent durch: der kaltblütige, kalkulierende Renato ist die zentrale Figur, während der eitle, ziemlich unreife, zügellose Riccardo nur sein Spielzeug ist. Nur Amelia bleibt die reine Unschuld, was etwas kurz gesehen ist. Die Chöre auf Riccardos Glorie wurden als politische Propaganda gezeigt, die auf einer Tribüne aufgestellt mit Klappkarten flächendeckende Bilder produzierten, wie es halt in einer richtigen Diktatur ist. Die vielen Ventilatoren attestierten die tropische Atmosphäre. Die allgegenwärtige Soldateska trug zu dem drückenden Tropen-Ambiente von Verschwörung und Unterdrückung bei. Riccardos Auftritte wurden auch immer vom staatlichen Fernsehen aufgezeichnet.

Die einfachen, bewußt etwas schäbigen Bühnenbilder von Rifail AJDARPASIC waren sehr passend. Mehrere riesige Behälter mit tropischen Pflanzen hingen vom Schnürboden in verschiedenen Höhen. In der Szene am Galgenberg landeten sie auf dem Bühnenboden und wurden zum Dschungel. Die Kostüme von Hervé POYDOMENGE waren phantasievoll. Riccardo war in eine pompöse weiße Marine-Uniform mit vielen Orden gekleidet, Renato trug eine dezente tropische Kaki-Uniform, Amelia ein luftiges rosa Kleid, Tom und Sam waren als FARC oder Tutamaros (mit Kalaschnikov) verkleidet. Beim Schlußball tauchten die Verschwörer in Ku-Klux-Klan Kostümen auf. Die entsprechende Beleuchtung besorgte Christophe PITOISET.

Ausgesprochen gelungen war die Ulrica-Szene, eine richtige Voodoo-Zeremonie vor einem kitschigen Marien-Altar, mit totem Hühnern, Totenköpfen und Rauch, weiters zwei Hexen, die in großen Mörsern Kräuter zerstampften. Was nicht ganz gelang, war die Szene am Galgenberg, trotz der Verlegung in den Urwald. Es war überflüssig und lenkte vom Kern der Handlung ab, daß zu Beginn des Akts die Militärs indianische Terroristen jagten und mit Genickschuß liquidierten. Außerdem hat die Dramaturgie hier nicht geklappt, denn die fehlende Verschleierung Amelias ließ die Szene flach fallen. Eher unverständlich war, weshalb zu Beginn der Eingangs-Chor hinter dem Katafalk Riccardos stattfindet. Genau wie der Schluß-Chor am Ende der Oper.

In der musikalisch ausgezeichneten Aufführung klang das ORCHESTRE DE BORDEAUX AQUITAINE zu Beginn zwar etwas hölzern, aber Paolo OLMI am Pult brachte bald den richtigen Wind in das Ganze und musizierte mit richtiger italianità die schwelgende Partitur, mit rubati an den Stellen, wo sie sein sollen, und ohne zu schleppen oder zu hetzen. Prachtvoll! Der CHOR war von Jacques BLANC ausgezeichnet einstudiert worden.

Die beiden in Bordeaux sehr beliebten Damen, die hier schon mehrmals zusammen gesungen haben u.a. vor zwei Jahren in "Aïda", waren sehr überzeugend. Hui HE als Amélia ist ein richtiger Verdi-Sopran, voll tönend, mit herrlichen Höhen und schönen piani. Ihr Spiel war auch passend für die etwas weinerliche Rolle. Man kann allerdings hoffen, daß die chinesische Sopranistin ihre italienische Diktion verbessert. Elena MANISTINA als Ulrica brachte ihren warmen, klangvollen Mezzo voll zur Geltung. Eine prachtvolle Stimme und ein eindrucksvolles Bühnentalent. Sie spielte die Voodoo-Priesterin ganz ausgezeichnet, an einer riesigen Zigarre ziehend. Auch ihr Italienisch vertrüge Verbesserung.

Der australische Tenor Julian GAVIN hatte uns hier in Bordeaux vor einigen Jahren als Rodolfo in Verdis "Luisa Miller" beeindruckt. Die Stimme ist seither etwas schwerer geworden, obwohl er nach wie vor die strahlende Höhe und überzeugende Bühnenpräsenz besitzt. Doch Riccardo wird er nicht mehr lange singen können. Er wird sicher in ein paar Jahren ein guter Otello sein. James WESTMAN, der den Renato sang, ist ein besonderer Fall. Anfangs war er ziemlich farblos - vermutlich von der Regie so gewollt. Er entpuppte sich dann als intensiver, verzweifelter Schauspieler und hervorragender Verdi-Bariton, vor allem in seiner großen Rachearie "Eri tu che macchiavi quell'anima" vor der Verschwörerszene.

Daphné TOUCHAIS war ein kecker Page Oscar in Baggy-Jeans und Basketball Kappe. Daß sie ausgezeichnet singt und bildhübsch ist, stört nicht. Die beiden Verschwörer Sam und Tom wurden von Jérôme VARNIER und Antoine GARCIN sehr gut dargestellt. Dem Seemann Silvano gab David GROUSSET stimmfrohen Ausdruck über die freudige Überraschung seiner Beförderung. Als Richter war Chormitglied Pierre GUILLOU passend.

Das Publikum feierte die Künstler stürmisch, vor allem die beiden Damen, aber das Regie-Team erntete einige Buhs. wig.