"FAUST" - 28. März 2008

Nach vielen Raritäten in diesem Monat war es gut, mit etwas gewohnterer Kost zu schließen. Eine Neuinszenierung von Gounods "Faust" im prachtvollen Theater in Bordeaux war eine passende Gelegenheit. Diese Oper folgt dem Goethe'schen "Faust" zwar nur in den großen Linien, aber welches Fest für die Sänger, denn sie strotzt ja von Ohrwürmern!

Die Oper in Bordeaux hat gleich zwei Besetzungen für "Faust" engagiert, denn ein Erfolg war vorauszusehen, da diese populäre Oper seit über fünfundzwanzig Jahren in Bordeaux nicht mehr gespielt worden ist. Es wurde die komplette Version gespielt, mit dem oft gestrichenen Duett Siebel-Marguerite und der (zu) langen Ballett-Fassung der Walpurgisnacht.

Unter der Leitung von Emmanuel JOEL-HORNAK spielte das ORCHESTRE NATIONAL BORDEAUX AQUITAINE sehr flott und präzise. Der CHŒUR DE L'OPÉRA NATIONAL DE BORDEAUX sang gewohnt gut, von Jacques BLANC hervorragend einstudiert. Der Dirigent wußte besonders die dramatischen Stellen sehr genau heraus zu streichen und war bemüht, den Sängern ein guter Begleiter zu sein, was ihm in hohem Maße gelang, zumal die Sänger der 2. Besetzung noch nie in Bordeaux gesungen hatten.

Die Palme kommt zweifellos dem Mephistopheles von Paul GAY zu, der in dieser Rolle debütierte. Da er ein sehr großer Bursche ist, der alle um mindestens einen Kopf überragt, und einen ungewöhnlich vollen Baß besitzt, war seine Bühnenpräsenz sehr eindrucksvoll. Seine "Ballade du Veau d'or" war absolut hinreißend.

Neben ihm wirkte der junge Koreaner Woo Kyun KIM als Faust noch kleiner, denn er reichte ihm gerade zum halben Brustkorb. Was allerdings seinem ausgezeichnet geführten, strahlenden Tenor keinerlei Abbruch tat. Denn er sang mit Eleganz, guter Phrasierung und in perfektem Französisch bereits die große Arie "Salut, demeure chaste et pure" im 1. Akt und hielt diese Form während der ganzen Vorstellung.

Seine Partnerin war eine junge Sopranistin aus Kasachstan, Maïra KAREY, die der Rolle Naivität und Tragik gab. Sie sang die Juwelenarie wunderbar und stilvoll phrasiert und mit kindischer Überraschung und Freude gespielt. Drei junge Sänger, von denen man noch viel hören wird.

David GROUSSET war ein schönstimmiger Valentin, der sein forsches Abschiedslied "Avant de quitter ces lieux" mit gutem Ausdruck sang. Christophe BERRY als Siebel sang die hübsche Arie "Faites-lui mes aveux" mit herzlicher Naivität und schönem Tenor. Als Witwe Marthe war Marie Thérèse KELLER mit angenehmem Mezzo die richtige Mischung von Zurückhaltung und Zudringlichkeit. Loic VASSIN war ein passend betrunkener Wagner.

Zwei Künstler aus Bordeaux Jean-Philippe CLARAC und Olivier DELOEUIL zeichneten für die Inszenierung. Beide sind Leiter der Opéra Français de New York und sollten daher das französische Repertoire bestens kennen. Allerdings schlug sich dies nur beschränkt auf die Aufführung in Bordeaux nieder. Dafür sind wohl auch die traurigen Bühnenbilder von Philippe MIESCH und die einfallslosen Kostüme von Thibaut WELCHLIN verantwortlich. Marguerite in hellblau oder weiß, die Herren in schwarz, Valentin braun gekleidet, die Szenerie ziemlich grau, mit einer helleren verwaschenen Projektion im Hintergrund im 1. Teil. Ein "gotisches" Gestell aus blauem Blech stellte eine Kapelle dar. Im 2. Akt wurde ein Osterlamm zum Goldenen Kalb, und Mephistopheles zündete einen Feuerkreis um sich an.

Einzig die Kirchenszene zeigte einen neugotischen Altar - den Mephisto auch in Flammen aufgehen ließ - und eine symbolische gotische Rosette. In der Walpurgisnacht stand im Hintergrund ein Turm aus dem Mephistopheles erschien. Diese eher betrübliche Szenerie wurde von Giuseppe di IORIO entsprechend düster beleuchtet. Ballettchef Charles JUDE zeichnete für die konventionelle Choreographie. Das ungekürzte Ballett war entschieden zu lang, was bewirkte, daß die Vorstellung um Mitternacht zu Ende ging; vier Stunden!

Begeisterter, wenngleich kurzer Applaus für Dirigenten, Sänger, Chor und Orchester. wig.