"DIE FLEDERMAUS" (französisch) - 22. Juni 2008

Es ist schon eigentümlich, eine Oper, die man sehr gut kennt, in einer anderen Sprache zu hören. Bei der "Fledermaus" ist das besonders mühsam, weil man ja mitsingen könnte, da man alle Ohrwürmer auf Deutsch kennt. Allerdings basiert die Geschichte auf einem französischen Vaudeville "Le Reveillon" von Meillac und Halévy, den beiden erfolgreichsten Reimeschmieden Offenbachs. Da die deutsche Adaptierung von Haffner und Genée unautorisiert gemacht und 1874 im Theater an der Wien uraufgeführt worden war, war die "Fledermaus" jahrzehntelang in Paris verboten, während sie weltweit gespielt wurde. Erst nach Meillacs Tod, willigte der steinalte Halévy ein, die Raubfassung zuzulassen, und erst 1904 wurde die größte aller Operetten im Théâtre des Variétés in Paris gespielt. Mahler hatte die "Fledermaus" bereits zehn Jahre vorher an der Wiener Hofoper dirigiert!

Die Inszenierung aus Toulouse stammt von Jean-Louis GRINDA und ist bereits in anderen Städten gezeigt worden. Die Regie hat einige gute Ideen, so der riesige Spiegel, der während der ganzen Aufführung im Zentrum der Handlung thront und der verlotterten Gesellschaft sozusagen "einen Spiegel vorhält". Die Bühnenbilder mit schönen, dezenten Vorhängen von Rudy SABOUNGHI und die sehr farbigen Kostüme von Danièle BARRAUD paßten nahtlos in Grindas Regiekonzept, der die Künstler ausnehmend gut durch die turbulente Handlung führte. Z. B. ließ er zu Beginn des 2. Akts die sehr kleine Adele sich auf der Bühne vor dem Spiegel in das viel zu lange Kleid ihrer Herrin umkleiden, bevor die Drehbühne in Orlofskys Palais umschwenkte. Laurent CASTAINGT beleuchtete bestens und ließ bei Orlofsky und am Schluß im Gefängnis ein Feuerwerk mit Raketen über die Bühne abschießen.

Dazu tanzte das BALLET DE L'OPÉRA NATIONAL DE BORDEAUX "Unter Donner und Blitz" zu einer sehr französischen Can-Can- Choreographie von Laura SCOZZI. Auch das Ballett bei Orlofsky, in dem die Tänzer die Champagner-Flaschen auf ihren russischen Pelzmützen trugen, war sehr gelungen und natürlich ein großer Publikumserfolg!

Unter der Leitung des Wiener Dirigenten Thomas RÖSNER spielte das ORCHESTRE NATIONAL BORDEAUX-AQUITAINE mit Schwung die prickelnde Musik. Obwohl die Ouvertüre noch etwas hölzern wirkte, erfing sich das Orchester bald nach Alfreds Auftritt und musizierte sehr wienerisch. Im 2. und 3. Akt brillierte der CHOEUR DE L'OPÉRA NATIONAL DE BORDEAUX (Leitung Jacques BLANC).

Die durchwegs sehr guten Sänger waren allerdings nicht immer vorteilhaft eingesetzt. Dies betrifft vor allem Cécile PERRIN als Caroline (Rosalinde). Diese ausgezeichnete Sopranistin ist der Rolle hörbar "entwachsen", zumal sie Tosca und Donna Anna, ja, sogar Senta singt und bereits vor einem Jahr hier eine ausgezeichnete Leonore in "Fidelio" sang. Trotz der schwereren Stimme, meisterte sie jedoch nach wie vor die Koloraturen, die Höhen des Czardas waren aber nicht ganz sauber. Ihr Gabriel Eisenstein (Gaillardin) war Gilles RAGON, der die Rolle mit prachtvollem, höchst kultiviertem Tenor sang und übermütigem Temperament spielte, ein großes Vergnügen!

Sehr gelungen war Philippe ERMELIER als Land-Notar Duparquet (Dr. Falke), der Drahtzieher der ganzen Geschichte, den er besonders verschlagen darstellte. Er beriet den Fürsten Orlofsky, von Nathalie STUTZMANN gut gespielt, für ihre dunkle volle Altstimme jedoch einfach zu hoch. Die sehr geschätzte Liedersängerin (ihre "Frauenliebe und -leben" ist großartig) hat in der Höhe leider hörbare Schwierigkeiten. Sehr treffend war der Gefängnisdirektor Tourillon (Frank) von Jean SÉGANI und gab mit weißer Liszt-Künstlermähne fast Würde der zwiespältigen Rolle. Wie in den meisten "Fledermaus" Produktionen, zündete er sich im Gefängnisakt natürlich auch eine Zigarette an und rauchte ein Loch in die Zeitung!

Den Tenor Alfred sang Eric HUCHET sehr gut (mit "Tosca" und "Pagliacci" Fragmenten statt "Lohengrin" und Tamino im Gefängnis). Die junge Kanadierin Mélanie BOISVERT war eine schnippische Adele, die ihren hübschen prickelnden Koloratursopran sehr vorteilhaft einsetzte und mit ihrem Couplet "Mein Herr Marquis" im 2. Akt einen schönen Erfolg erntete. Ihrer Schwester Ida (die hier Flora heißt) gab Estelle DANIIERE die richtige Mischung zwischen Vulgarität und Snobismus. Jean-Philippe CORRE als Orlofskys Diener Ivan rauchte die schauerlichen Papyrosi-Zigaretten aus Sowjet-Zeiten, wenn er nicht Wodka soff.

Jean-Claude CALON als Frosch/Leopold war hervorragend. Am Schluß endete er auf der Vorderbühne vor dem Vorhang und war ganz überrascht, daß das Publikum noch da ist "Mais, c'est fini! Rentrez à la maison!" Auch das noch anwesende Orchester erstaunte ihn, und er proklamierte Sarkozys Wahl-Slogan "Travailler plus pour gagner plus!" Natürlich tobte das Haus! wig.