"PHAEDRA"/"DIDO AND AENEAS" - 24. September 2008

Henry Purcell (1659-1695) hat zwar über vierzig Bühnenmusiken komponiert, aber nur eine Oper, die wahrscheinlich 1689 in Josias Priests' School in Chelsea von jungen Mädchen uraufgeführt wurde. Man kann das fünfzigminütige Werk als die erste englische Oper überhaupt ansehen - wenn man von John Blows verschollenen "Venus and Adonis" absieht. "Dido and Aeneas" verwendet außer den klassischen Arien, Duetten und Chören auch ariose Rezitative, aber keinen gesprochenen Text.

Die Produktion, die die Saison in Bordeaux eröffnete, wurde aus Nancy importiert. Yannis KOKKOS zeichnete für die sehr gelungene Inszenierung, der wie üblich auch Bühnenbilder und Kostüme machte. Die von Kokkos bis ins kleinste Detail ausgeklügelten Lichteffekte, die die Sänger ungewöhnlich herausstreichen, sind sehr eindrucksvoll. In Bordeaux wurde die Produktion von seiner Assistentin Emanuelle BASTET betreut.

Wie vor einigen Jahren in einer Oper um die gleiche Geschichte, "Les Troyens" von Berlioz im Châtelet, zerbricht man sich den Kopf, wie der Regisseur das macht. Vor einer "klassischen" Ruinenlandschaft "inkrustiert" der Regisseur kleine Details und Szenen. was besonders in der Hexen-Szene (2. Akt) gelungen ist, wo die Zauberin zu fliegen scheint.

Die Kostüme der Hexen (mit Stehkragen!) sind pechschwarz, sonst verwendet der griechische Regisseur neben weiß und schwarz, seine Lieblingsfarben rot und gold. Dido und ihr Hof sind in diesen rostroten Roben mit Halskrausen passend gekleidet, später in weiß. Aeneas in goldener Rüstung - wie in Cherubinis "Medée" vor einigen Jahren in Toulouse und Châtelet - und die vom Schnürboden herabhängenden ebenso goldenen Schiffchen der trojanischen Flotte geben dem Bild zusätzliche klassische Würde.

Der Beleuchter Patrice TROTTIER folgte den Anweisungen des Regisseurs vollkommen und erreichte die gewohnte Perfektion der Kokkos-Produktionen. Richild SPRINGER zeichnete für die choreographische Umsetzung der Umzüge und erschien als Todesengel am Ende beider Werke.

Als Dido war Mireille DELUNSCH der tragischen Figur überraschend gut gewachsen. Stimmlich ausgezeichnet, wußte sie auch dem dramatischen Aspekt der Rolle überzeugend Rechnung zu tragen. Ihr "Remember me!" im Schlußgesang war herzzerreißend, wenn sie buchstäblich zusammensackt. Was ein guter Regisseur machen kann! Ihr zur Seite war die junge Kimy MCLAREN als Didons Vertraute Belinda (ganz in weiß) bestens am Platze. Ihr frischer Sopran war ein guter Kontrast mit der tragischen Figur der Titelheldin.

Der "fliegenden" Zauberin lieh Catherine WYN-ROGERS ihren ausgezeichnet geführten Mezzosopran. Sie war von den Hexen Colette GALTIER und Arlette DA COSTA passend unterstützt. Sehr beeindruckend war der Aeneas des jungen Thomas DOLLÉ, der mit schönem Kavaliersbariton dem trojanischen Helden Format verlieh und ausgezeichnet spielte.

Der dreizehnjährige Louis-Alexandre DÉSIRÉ sang den falschen Merkur sehr hübsch mit glockenreinem Sopran. Bruno COMPARETTI, den wir schon in viel größeren Rollen gehört haben, sang mit seinem schönen Tenor das Trinklied des Seemanns im 3. Akt. Isabelle LACHÈZE gab Belinda passend Antwort im Ritornell des 2. Akts.

Als Vorspann wurde Brittens späte Kantate (1973) "Phaedra" gegeben, eine andere tragische Frauenfigur, die im Selbstmord endet, ähnlich Schönbergs "Erwartung". Nach Ausschnitten aus Racines "Phèdre" von Robert Lowell auf Englisch adaptiert, beschreibt das kurze Werk die Emotionen der Phèdre, die mit Hippolyt, dem Sohn ihres Gatten Theseus die Ehe gebrochen hatte. Der sehr emotionale und dramatische Text wurde von Britten mit einer ungemein packenden, fast atonalen Musik bedacht. Für Janet Baker geschrieben, folgte Catherine Wyn-Rogers ihrer berühmten Vorgängerin hervorragend; die englische Sängerin zog sich brillant aus der Affäre. In einer roten Robe und vor einer von rechts schräg beleuchteten schwarzen und roten Wand wußte sie den intensiven Text glaubhaft darzustellen und ihren wunderschönen Mezzo gut zu verwenden.

Die musikalische Leitung der Aufführung war hervorragend und lag in den Händen von Jaap ter LINDEN. Der niederländische Cellist, Musikologe und Dirigent leitete das ORCHESTRE NATIONAL BORDEAUX AQUITAINE mit sicherem Stilgefühl, bei Purcell "verstärkt" durch eine Theorbe und ein Cembalo. Der ausgezeichnete Chorleiter Jacques BLANC hatte - wie gewohnt - den CHOEUR DE L'OPÈRA NATIONAL DE BORDEAUX hervorragend einstudiert.

Ein prachtvoller Abend, vom Premieren-Publikum mit stürmischem Applaus gefeiert. wig.