"TOSCA" - 27. Januar 2009

Als zweite Eigenproduktion der Saison wurde in Bordeaux ein Repertoirewerk, "Tosca", gewählt. Mit zwei guten, internationalen Besetzungen konnte das Opernhaus einen schönen Erfolg verzeichnen.

Dieser Erfolg ist vor allem zwei Personen zu danken: in erster Linie dem Dirigenten Kwamé RYAN, GMD in Bordeaux, der sein Haus-Debüt als Operndirigent in Bordeaux feierte. Nach seinen erfolgreichen Konzerten seit anderthalb Jahren bewies der aus Jamaika stammende kanadische Dirigent, daß die Oper ebenso sein Element ist wie der Konzertsaal. Schon in den ersten wuchtigen Akkorden wußte man, daß er den typischen Verismus Puccinis herausholen und die Verbindung zur Bühne perfekt vermitteln konnte. Das ORCHESTRE NATIONAL BORDEAUX AQUITAINE schwelgte im Puccini-Klang. Das "Te Deum" wurde vom CHOR DER OPÉRA NATIONAL DE BORDEAUX und dem KINDERCHOR des lokalen Konservatoriums unter der Leitung von Jacques THIBAUD sehr gut gesungen.

Die zweite Hauptperson des Erfolges war der Regisseur (und Beleuchter) der Aufführung, Anthony PILAVACHI, ein Mustereuropäer: in Zypen geboren, mit italienischem Namen und irischem Paß, hat er in London und Paris studiert und wirkt vor allem in Deutschland, wo er vor zehn Jahren mit Kwamé Ryan gearbeitet hatte. Er hat bewußt die religiösen und politischen Aspekte des Librettos betont - aber ohne Exzesse. Die offensichtliche Übertragung in die Mussolini-Zeit, mit aktuellen Anspielungen, war aber nicht störend.

Die äußerst gelungenen Bühnenbilder von Markus MEYER waren dabei sehr hilfreich. Im 1. Akt ist das Seitenschiff von Sant'Andrea del Valle durch schwarze Platten abgegrenzt, so daß nur eine riesige kreuzförmige Aussparung Licht einläßt und den Blick auf Scarpias Prachtgemach des 2. Akts frei gibt; eine gute Idee. Rechts ein Marien-Bild, das aber eher an Grünewald erinnerte, links ein Keller-Eingang zur Kapelle der Attavanti. Das Gemach Scarpias wird auf den drei Wänden von einem flämischen Riesengemälde "Der Sturz der bösen Engel" dominiert. Die beiden Seitenwände begrenzen auch die Bühne des 3. Akts, mit eines Terrasse des Castel Sant'Angelo im Hintergrund, von der sich Tosca am Schluß in den Graben stürzt. Ebenso waren die Kostüme von Pierre ALBERT im Stil der dreißiger Jahre ein passender Rahmen der Handlung.

Einige gute Ideen: Toscas Auftritte im 1. und 3. Akt begleitet immer eine Meute blitzender Fotografen. Sehr eindrucksvoll der Auftritt Scarpias im 1. Akt in einer Uniform eines Polizei-Generals. Cavaradossi tritt in den beiden ersten Akten in einem modischen Flanell-Anzug auf, im 3. Akt aber in Handschellen und orangener Sträflingskluft. Etwas kitschig waren die Engelsflügel der Ministranten, die das "Te Deum" sangen.

Sehr erwartet war die Tosca von Catherine NAGLESTAD. Die amerikanische Sopranistin dominierte die Rolle und spielte treffend die eifersüchtige hysterische Diva. Gegen Scarpia verteidigte sich wie eine Löwin. Stimmlich war sie hervorragend, mit prächtiger Projektion der Stimme. Vor allem "Vissi d'arte" gelang ihr großartig, wunderbar phrasiert und sehr ausdrucksvoll, kniend auf dem Sofa gesungen.

Jean-Philippe LAFONT gab dem Baron Scarpia alle Züge des geilen, bigotten, niederträchtigen Lokal-Diktators, der alle um sich tyrannisiert und nachher wegwirft. Eine große Charakterstudie! Stimmlich ist Lafont nach wie vor höchst präsent, wie er im "Te Deum", sowie in der Konfrontation mit Tosca im 2. Akt zeigte.

Nicht ganz so beeindruckend war der Mario Cavaradossi von Alfred KIM. Der Koreaner war zu Beginn hörbar indisponiert, aber überwand dies mit einem fulminanten "Vittoria!". Im 3. Akt erschien er gefesselt in orangener Gefängniskluft und bot eine sehr gefühlvolle Fassung von "E lucevan le stelle", die mit Recht applaudiert wurde. Er spielte den patriotischen Maler ungezwungen und überzeugend.

Auch die Comprimari-Rollen waren gut besetzt. Yuri KISSIN lieh dem Angelotti seinen schönen Baß und gab der Rolle die passende Tragik. Der Mesner von Jean-Phhilippe MARLIÈRE, der auf die "Cani di volterriani" schimpfte, war stimmfest und passend bigott. Antoine NORMAND war ein unterwürfiger, vor Angst zitternder Spoletta ("Sant'Ignazio m'aiuta!"), der am Schluß der Oper die Uniform Scarpias des 1. Akts anzieht. Der Ring schließt sich. Den Sciarronne in faschistischer Miliz-Uniform gab David ORTEGA passend. Als Schließer von Sant'Angelo schrieb Bernard MANSENCAL den Text der Arie des gefesselten Mario auf, der vor ihm saß.

Ein sehr schöner Abend, an dem alle Künstler vom Publikum stürmisch gefeiert wurden. wig.