"LES BRIGANDS" - 29. Oktober 2009

Offenbach ist derzeit in Frankreich sehr "in". Gut so! Seine dreiaktige Opéra-bouffe paßt ganz in die Mode von Räubern und Schurken des 19. Jahrhunderts. Von Schillers "Die Räuber" inspiriert, wimmelt es zu dieser Zeit von Räubergeschichten, von Verdis "Masniadieri" über Hérolds "Zampa" bis Aubers "Fra Diavolo" und viele, viele mehr. Sogar Nestroy und Franz von Suppé hatten 1849 eine Posse "Die Räuber auf dem Semmering" auf dem Gewissen!

Das Textbuch von Offenbachs Hauslibrettisten Meilhac und Halévy ist nicht besser oder schlechter als andere und wurde am 10. Dezember 1869 im Pariser Théâtre des Variétés uraufgeführt. Die Personen sind ausnahmslos Idioten oder Nieten, bei denen alles ins Auge geht. Außerdem nehmen die Autoren auch noch die Monarchie von Napoléon III. aufs Korn, die ja ahnungslos in den Abgrund schlitterte. In dieser unwahrscheinlichen Geschichte haben die Herzogtümer von Mantua und Granada gemeinsame Grenzen! Offenbach hat den ganzen Salat mit einer Mischung von Can-can und Märschen übergossen. Spritzige Musik und eine "fantastische" Inszenierung genügten völlig, um den Erfolg des Werkes zu garantieren.

Das Ehepaar Jérôme DESCHAMPS und Mascha MAKAEÏEF hatte "Les Brigands" bereits 1993 in der Bastille in einer umwerfenden Inszenierung (mit Michel Sénéchal) gespielt. Diese neue Inszenierung des Direktoren-Paars der Opéra comique wurde mit den Opernhäusern von Luxembourg, Toulon und Bordeaux co-produziert. Das ziemlich verrückte Bühnenbild von Françoise DARNE zeigte eine Gebirgslandschaft aus Pappe mit einem Matterhorn-ähnlichen Berg, der sich am Schluß als Vulkan entpuppt und zum "happy end" Feuer speit! Mascha Makaeïef zeichnete auch für die ebenso prächtigen (für die Noblen) oder schäbigen (für die Räuber und das Volk) verrückten Kostüme. Marie-Christine SOMA und Marc PINEAU beleuchteten äußerst passend.

Es krachte viel, und jedes Mal, wenn einer der Banditen in die Luft schoß, fielen ein paar Hühner, Hasen oder anderes Gevieh vom Himmel. Sonst ging's auch recht "tierisch" zu: ein Elchkopf dräute bisweilen aus einer Papp-Felsschlucht; ein echter, braver Esel stand stoisch den ganzen 2. Akt in einer Ecke, während vier lebende Hühner sich der Bröseln des von den zwei blinden Bettlern (Falsacappa und Pietro) zerstörten Hochzeitskuchen annahmen und aufpickten.

Der Abend begann bereits mit einem Witz. Ein älterer Herr mit Liszt-Frisur verbeugte sich und begann zu dirigieren, aber die Ouvertüre zu …. "Guillaume Tell", eine andere Gebirgs-Oper. Nach etwa zwanzig Takten wurde er vom wirklichen Dirigenten Emmanuel JOEL-HORNAK vom Pult verjagt und "Les Brigands" konnten beginnen. Dieser leitete das ORCHESTRE BORDEAUX-AQUITAINE Aquitaine mit fester Hand durch die verrückte Partitur. Der CHOR DER OPER VON BORDEAUX unter der Leitung von Jacques BLANC und Philippe MOULINIÉ sang prächtigst die schmissigen Melodien und blödelte sich durch die Partitur und die vielfachen Berg-Schluchten.

Die Sänger waren durchwegs gut und oft ausgezeichnet. Den Räuberhauptmann Falsacappa sang Eric HUCHET, einer der besten Spieltenöre Frankreichs, der stimmlich und darstellerisch die Szene völlig beherrschte, zumal er alle anderen der Besetzung um einen Kopf überragte. Pietro, sein Vize in Sachen Räuberei, war mit Frank LEGUÉRINEL, einem alten Hasen, ausgezeichnet besetzt. Daphné TOUCHAIS als Falsacappas Räuber-Töchterlein haben wir auch schon öfters gehört. Sie sang die Fiorella mit Bravour und hübschem Sopran, außerdem kann sie mit einer antiken Pistole umgehen!

Ebenso wie ihr Liebhaber Fragoletto, der einen Kopf kleiner als sie war, den aber Marie LENORMAND mit angenehmer Stimme sang und sehr temperamentvoll spielte. Die weiteren Räuber waren sehr gut: Leonard PEZZINO (Carmagnola), Antoine GARCIN (Barbavano) und Antoine NORMAND (Domino). Szenenapplaus ernteten die drei Kumpane, als sie je ein Huhn in Rekordzeit rupften. Zum Glück war dann große Pause, um die Bühne frei zu kehren!

Ausgezeichnete Typen waren die verschiedenen verkommenen Adeligen für die nicht sonderlich anstrengenden Rollen. Eine Überbesetzung war Michèle LAGRANGE als Prinzessin von Grenada. Umwerfend komisch! Als vertrottelter Baron de Campo-Tasso war Francis DIDZIAK sehr treffend, der Graf de Gloria-Cassis von Philippe TALBOT stand ihm nicht nach, ebenso wie der Finanzminister Antonio von Loïc FELIX, der die drei Millionen verpfuscht hatte. Als Herzog von Mantua war Martial DEFONTAINE passend degeneriert und snobisch.

Bei jedem Aufritt von Graf Adolphe de Valladolid, dem Humberto AYERBE-PINO alle Attribute eines spanischen Granden gab und dauernd auf seine spanische Ehre pochte, lachte das ganze Haus. Als Hauptmann der Carabinieri, der den Schlager des Stücks "Nous sommes les carabiniers et nous sommes toujours en retard." zu singen hatte, war Fernand BERNADI perfekt, was ihm natürlich Szenenapplaus einbrachte. Zahlreiche Sänger und Schauspieler in kleineren Rollen waren auch noch auf der Bühne, von denen François TOUMARKINE besonders zu nennen ist, der dauernd mit Falsacappa stritt und Krach schlug.

Das ganze Spektakel war ein großer Spaß, und das Publikum des ausverkauften Hauses war vollends begeistert und spendete tobenden Applaus. wig.