"DER PROTAGONIST"/"ROYAL PALACE" - 31. Juli 2004

Der neue Intendant der Bregenzer Festspiele David POUNTNEY setzt in seiner ersten Saison die gute Tradition fort, selten gespieltes im Festspielhaus zu zeigen, neben den Publikumslieblingen auf der Seebühne. So werden heuer neben der „West Side Story“ zwei frühe Einakter von Kurt Weill gebracht.

„Der Protagonist“ stammt aus dem Jahr 1926 und zeigt eine Unentschlossenheit in der Handlung, wie der Musik. Letztere ist wenig eingängig, wirkt heterogen, fast unfertig. Auch die Geschichte überzeugt eher als Klamotte, denn als Musiktheater. Eine Schauspieltruppe zur Zeit Elisabeths der Ersten von England soll in einem Landgasthof vor dem Herzog spielen. Ungewöhnlicherweise ist eine Frau mit von der Partie, undenkbar, eine Frau auf der Bühne! Sie stellt sich aber als die Schwester des Protagonisten heraus, der ihr in einem fast inzestuösen Verhältnis verbunden ist. Nun überschneiden sich die Stränge, während der Herzog zunächst eine pantomimische Komödie will, schwenkt er später auf eine Tragödie um. Das Umschreiben des Stückes ist schnell getan, statt Versöhnung der einander betrügenden Eheleute, bringt nun der Mann die Frau um. Zugleich muß der Protagonist aber feststellen, daß seine Schwester einen Liebhaber hat, was ihn in den Wahnsinn treibt und dazu, seine Schwester umzubringen. Sowohl Komödie wie auch Tragödie werden auf der Bühne voll ausgespielt, natürlich ohne Gesang.

Der Ehebruch wird von Regisseur Nicolas BRIEGER in der Manier holprigen Straßentheaters bis zum Exzeß ausgespielt, und ist die Verwandlung der männlichen Schauspieler in Frauen vielleicht zunächst noch zum Lachen (allerdings in jedem „Sommernachtstraum“ auch nicht schlechter), bleibt das Ganze in der abgewandelten Wiederholung doch recht fad. Da helfen auch die von der Regie eingefügten Dialoge nichts, die zwar ganz witzig sind, das Stück aber nur noch mehr auseinander reißen. Selbst die große Spielfreude der Akteure, wie Gerhard SIEGEL in der Titelrolle, Catherine NAGLESTAD als auf Marlene Dietrich getrimmtes unterkühltes Zwitterwesen oder Otto KATZAMEIER als kauziger Wirt können letztlich das Stück nicht retten.

Nur ein Jahr später als der „Protagonist“ wurde „Royal Palace“ uraufgeführt. Aber welch ein Weg bis hierhin! Hier ist Weill wie man ihn kennt. Wie er mit der Musik spielt, deren Schrägheit Programm wird, in die Jazz seinen Eingang findet, aber auch der Tango, ganz Weill, nicht nur melancholisch, sondern gar als Todesmusik eingesetzt. Wie beim „Protagonisten“ gibt es auch hier längere rein instrumentale Passagen, die eine Herausforderung an jeden Regisseur darstellen. Eine schöne Frau ist mit ihrem Ehemann, dem Geliebten von gestern und dem Geliebten von morgen in einem Grand Hotel an einem norditalienischen See. Der pure Luxus herrscht, aber die müde Frau stellt ihren Männern die Aufgabe, ihr innerstes Wesen zu erkennen. Nun gilt es, die drei Szenen des „reichen Kontinents“, des „Himmels unserer Nächte“ und der „ewigen Natur“ zu bebildern, da diese, wie gesagt, ohne Worte auskommen müssen.

Brieger und sein Bühnenbildner Raimund BAUER, sowie der Licht Designer Alexander KOPPELMANN bedienen sich hier, wie auch von Weill schon damals angedacht, filmischer Mittel. Die Firma fettFilm hat dabei alle Register der Videokunst des beginnenden 21. Jahrhunderts gezogen und wundervolle Projektionen geschaffen, von auf Tabletts projizierten kulinarischen Genüssen, über Flüge über die Skyline New Yorks im Stile der zwanziger Jahre und auf die Personen geworfene bewegliche Bilder. Trotz der Vielfalt verfällt das nie in hektisch beliebige Videoästhetik. So entstehen mit „Royal Palace“ musikalisch, wie optisch kurzweilige 40 Minuten mit dem Schluß, daß natürlich keiner der Männer das Wesen der Frau erkennt und diese, aller Eindrücke und Wesen überdrüssig, sich im Bergsee ertränkt.

Bei all der Bilder- und Musikflut bleibt leider die Textverständlichkeit zuweilen auf der Strecke. Da haben Catherine Naglestad als lebensmüde Frau und Gerhard Siegel, Otto Katzameier und Peter BORDING als die drei Männer kaum eine Chance.

Yakov KREIZBERG leitet die WIENER SYMPHONIKER sicher durch alle Höhen und Tiefen der Musik und demonstriert damit auch Stärken und Schwächen dieses jungen Komponisten gleichermaßen. KS