„MASKERADE“ - 30. Juli 2005

Die Dänen müssen ein freundliches und fröhliches Volk sein, sonst wäre kaum Carl Nielsens „Maskerade“ zu ihrer Nationaloper avanciert. In anderen Ländern dagegen tat sich das 1906 uraufgeführte Werk eher schwer. So war gar die deutsche Erstaufführung erst 1994 in Kassel. Heuer hat sich Bregenz dieser zu Unrecht zu den Raritäten gehörenden Oper angenommen.

Die Geschichte, auf der Grundlage von Ludvig Holberg (1684-1754), erfüllt alle Voraussetzungen einer komischen Oper. Leander soll nach dem Willen seines Vaters Leonora heiraten. Aber er verliebt sich auf der nächtlichen Maskerade ein eine Unbekannte und weigert sich. Ebenso geht es Leonora. Erbost begeben sich beide Väter am nächsten Abend selbst auf das Fest, wo auch Leanders Mutter, geschützt durch die Maske, ihren Spaß sucht. Nach einem wilden Durcheinander werden am Ende der Festivität alle Masken fallen gelassen und, siehe da, Leanders schöne Unbekannte ist natürlich Leonora, alles andere vergeben und vergessen. Die Welt ist wieder in Ordnung.

Daß diese Geschichte nicht ins seichte Fahrwasser der Banalität abgleitet, verdankt sie zum einen dem menschenfreundlichen Blick auf die Figuren. Niemand wird der Lächerlichkeit preisgegeben, alle mit Wohlwollen betrachtet. Und zum zweiten ist da natürlich die wunderbare Musik Nielsens, die diese Haltung jeden Augenblick lebt, wie man es ja schon von seinen Symphonien kennt. Da sind immer Tiefe und berauschende Klänge.

Der Bregenzer Hausherr David POUNTNEY nahm sich selbst der Regie an. Und daß in der dänischen Gesellschaft nicht alles zum Besten steht, ist gleich zu Beginn klar. Die Bühne ist von einem Goldrahmen gesäumt, der allerdings doch etwas schief hängt (Bühne: Johan ENGELS). Da fällt dann im Laufe der Ereignisse auch schon mal einer bildlich aus dem Rahmen, wenn es zu arg zugeht. - Das absolute Highlight der deutsch gesungenen Oper ist gleich der erste Akt, wenn Leander und sein Diener Henrik mit schwerem Kopf aufwachen und sich die ganze Problematik der Geschichte entwickelt. Bühne und Kostüme (Marie-Jeanne LECCA) sind stilisiert historisch, ohne staubig zu wirken, alles läßt noch Raum für die Phantasie.

Und hier entfaltet sich auch die Spielfreude der Sänger zu großer Form. An erster Stelle muß Markus BRÜCK als Henrik genannt werden, der nicht nur exzellent singt, sondern sich mal wieder als Bühnentier entpuppt und jeden Augenblick voll präsent ist. Da tut sich Daniel KIRCH als Leander etwas schwerer, hat aber auch die undankbarere Rolle. Die Elterngeneration mit Günter MISSENHARDT als Leanders Vater, Julia JUON als dessen Frau und Ernst D. SUTTHEIMER als Leonoras Vater sind eine Riege wunderbar skurriler Alter. In einer Nebenrolle glänzen kann Adrian THOMPSON als Knecht, nur Barbara HAVEMAN als Leonora hat eine viel zu kleine Rolle, um sich entfalten zu können.

Im zweiten und dritten Akt, die beide kurz vor oder auf der Maskerade spielen, wird dann viel getanzt, Ballette und Scharaden, viel Form, wenig Inhalt. Selbst der KAMMERCHOR MOSKAU kann beweisen, daß er nicht nur singen, sondern auch tanzen kann. Hier zieht Pountney so richtig vom Leder. Madonna trifft auf Elvis, griechische Mythologie auf das alte Ägypten und auch ein Tanzspiel, bei dem junge Ehefrauen mit knackigen Kerlen ihre Männer betrügen, gibt es zu bestaunen. Vielleicht ein bißchen zuviel des Guten, wenn die Geschichte in den Bildern ertrinkt. Aber auch hier bleibt Nielsens Musik immer ein Genuß.

Das ist nicht zuletzt auch Ulf SCHIRMER und den WIENER SYMPHONIKERN zu verdanken, die diese Musik wunderbar zum Leuchten bringen. Schön, daß diese Oper nicht gleich wieder verschwindet, sondern ins Repertoire des Royal Opera House in London übernommen wird. KS