"PAUL BUNYAN" - 29. Juli 2007

Während man sich im Festspielhaus Benjamin Brittens letzter Oper widmet, kann man sich im Theater am Kornmarkt Brittens erste Oper ansehen. 1941 wurde "Paul Bunyan" mit so wenig Erfolg uraufgeführt, daß Britten die Oper, die hier treffend als amerikanische Operette bezeichnet wird, für die nächsten dreißig Jahre zurückzog. Dabei gibt es dafür gar keinen Grund. Mit dem feinsinnig spritzigen Libretto des jungen W. H. Auden und einer Melodienfülle, die später in noch ausgeprägterer Form für die Musik Brittens stehen sollte, ist "Paul Bunyan" ein Spaß, bei dem einem das Schmunzeln so manches Mal im Halse stecken bleibt. Ähnliches gelingt in den USA später nur noch Steven Sondheim.

So ist z. B. der Titelheld so groß, daß er gar nicht auf die Bühne paßt und nur als Sprechstimme aus dem Off kommt (ein sonor klingender Helmut KRAUSS). Dieser Paul Bunyan ist dazu auserkoren, Amerika für die Menschen bewohnbar zu machen, und dazu heuert er sich eine Truppe Holzfäller aus aller Herren Länder, einen Journalisten, der widerwillig den Buchhalter macht, zwei unfähige Köche, einen Hund und zwei Katzen an. Diese Gruppe gilt es zu kontrollieren und zu motivieren. Dabei kommt es zu allerlei Reibungen, wie einer offenen Meuterei des ansonsten ruhigen Vorarbeiters Hel Helson, die von seinen schwedischen Landsleuten tatkräftig angefeuert wird oder zu komischen Verwicklungen, als die groben Holzfäller sich allesamt in Pauls Tochter Miss Tiny verlieben.

Wäre da nicht der exzellente wunderbar komische aber liebevoll punktgenaue Text, man würde an mancher Szene verzweifeln. Leider wird in Bregenz auf Deutsch gesungen, denn erstens selbst wenn die Übersetzung von keinem geringeren als Erich Fried stammt, so kann sie das Original nicht ersetzen. Und zweitens gibt es so keine Übertitel, die dringend nötig gewesen wären, da die überwiegend jungen Sänger oft nicht textverständlich sind. Ihre Begeisterung allein hilft da nicht weiter.

Die Inszenierung von Nicholas BROADHURST bedient eher die komisch naive Schiene, vom Bühnenbild der BROTHERS QUAY darin unterstützt. Den Hintergrund bildet ein breiter großer stilisierter Baum in weiß mit psychedelisch geschwungenen Jahresringen. Er ist, aufgeklappt, die Heimstatt der alten Bäume im Prolog, aber auch das Camp der Holzfäller. So bilden die Schweden mit wollenen Mützen (Christian SCHERLER, Xavier ROUILLON, Arnaud ROUILLON und Michael SCHOBER), Fido, der Hund im Sporthemd und mit Boxhandschuhen (Andrea BOGNER), die beiden sehr eleganten Katzen Moppet (Heather SHIPP) und Poppet (Bonita HYMAN) im Minirock und mit Cheerleaderbommeln, die beiden unfähigen Köche Sam Sharkey (Markus FRANCKE) und Ben Benny (James MARTIN), Hot Biscuit Slim (Juan Carlos FALCON), der nicht nur gut kochen kann sondern auch das Herz von Miss Tiny (Gillian KEITH) gewinnt und Johnny Inkslinger (Roberto GIONFRIDDO) diese ungewöhnliche Gemeinschaft, die America aufbauen soll. Ein Erzähler (Markus POL) verbindet dabei die einzelnen Szenen, wie in einer Nummernrevue. Anklänge an Brecht/Weill sind beim frühen Auden/Britten wohl kein Zufall.

Musikalisch schöpft Britten aus dem Vollen. Viele Melodien und ein schon gutes Gespür für einzelne Situationen weisen den Weg, wenn auch hier noch in dem Stoff angemessener vergröberter Form. Bei einem so ausgewiesenen Britten-Experten wie Stuart BEDFORD wird all das voll ausgespielt und das SYMPHONIEORCHESTER VORARLBERG geht mit. Eine gelungene und anschauliche Ergänzung zum diesjährigen Britten-Schwerpunkt, gerade auch im Vergleich zum so völlig anderen "Death in Venice". KS

P.S.: Die schönste Spitze der Inszenierung kommt am Schluss, wenn Paul sich von den seinen verabschiedet und verkündet: Amerika ist, was ihr aus ihm zu machen erwählt. Nach diesen Worten tut sich der Baum abermals auf, die Jahresringe werden zum Barcode, über den, sowie über Darsteller und Publikum, ein Laser schweift.