"KARL V." - 27. Juli 2008

Eigentlich hätte Ernst Kreneks Oper "Karl V." schon 1934 in Wien uraufgeführt werden sollen. Die Nazis wußten das allerdings zu verhindern, und die Uraufführung fand 1938 in Prag statt; Krenek ging danach ins Exil, aus dem er, trotz seines langen Lebens, nicht mehr zurückkehrte.

Die Oper ist eine Rückschau Kaiser Karls auf sein Leben und bietet daher einen par force Ritt durch die europäische Geschichte des 16. Jahrhunderts. Karl wollte Europa und die Kolonien als ein Reich, unter einem Herrscher im Sinne der katholischen Kirche errichten und beherrschen. Viel ist passiert in dieser Zeit, soviel, daß Regisseur Uwe Eric LAUFENBERG und sein Bühnenbildner Gisbert JÄCKEL gleich ein Lehrstück aus dem Ganzen gemacht haben, welches konsequenterweise in einem Klassenzimmer spielt, mit Karl als Oberlehrer. Und da sich beim Thema Weltreich und angesichts der Entstehungszeit die Parallele zur Diktatur der Nazis geradezu aufzwingt, steht das Klassenzimmer in den dreißiger Jahren in Deutschland, und immer wieder dient die Schultafel als Projektionsfläche für Videoeinspielungen von Bildern der Hitler-Diktatur.

Gerechtfertigt und legitim, und vom Libretto des Komponisten in feinfühliger Ahnung getragen, trotzdem eher spröde, die hölzernen Schulbänke und die Landkartenständer. Der zweite Teil beginnt mit Karl auf dem Sterbebett, und hier zeigt sich, was phantasievolle Bilder ausdrücken können. Der Kaiser liegt in einem dunklen leeren Raum schon wie aufgebahrt auf einem schwarzen Sockel. Nur zwei Geistliche sitzen etwas abseits auf Holzstühlen. Von oben senkt sich während des Orchestervorspiels eine riesige schwarze Kugel auf den Sterbenden herab, droht ihn zu erdrücken. In letzter Minuten treten die Geistlichen hervor und wenden das Unheil ab. Karl in völliger Abhängigkeit der katholischen Kirche.

Und überhaupt die Musik. Karl V. ist konsequent in Zwölftontechnik komponiert, eine Tatsache, die Krenek über weite Stecken vergessen läßt, so emotional und sinnlich ist seine Musik. Oft wird gesprochen in dieser Oper. So ist die Partie des jungen Beichtvaters eine Sprechrolle, hier expressiv dargeboten von Moritz FÜHRMANN.

Bregenz bietet für den ausgefeilten gesungenen Text Übertitel, die bei der Besetzung aber fast nicht nötig waren. Die immens anspruchsvolle Partie des Karl wird von Dietrich HENSCHEL mit viel Körpereinsatz gespielt und trotz Ansage tadellos textverständlich und ausdrucksstark gesungen. Aus dem Ensemble sticht ebenfalls Nicola BELLER-CARBONE als Karls Schwester Eleonore mit großem Tonumfang hervor, wie auch Christoph HOMBERGER, der als Francisco Borgia nicht nur singen, sondern auch fulminant stottern muß Auch die Sprechrolle des Papst Clemens VII. gilt es für ihn zu gestalten. So müssen viele Darsteller in mehrere Rollen schlüpfen, wie Thomas Johannes MAYER als Martin Luther, sowie als Sultan Soliman; Chariklia MAVROPOULOU als Juana, Karls Mutter, aber auch als einer der vier Geister (neben Katia VELLETAZ, Katrin WUNDSAM und Cassandra MCCONNELL). Als einer der wenigen darf sich Matthias KLINK ganz dem schönen französischen König Franz I. widmen.

Viel europäische Geschichte findet statt in diesen zweidreiviertel Stunden, und wenn man Krenek überhaupt einen Vorwurf machen möchte, so den, einen eher spröden Stoff gewählt zu haben, trotz der Parallelen zur Entstehungszeit.

Als Faszinosum bleibt die erstaunliche Musik, von Lothar KOENIGS und den WIENER SYMPHONIKERN eindrücklich zum Leuchten gebracht. Wieder einmal kann Bregenz mit Mut zum unbekannten Werk punkten. Im nächsten Jahr steht dann "Król Roger" von Karol Szymanowski auf dem Programm. KS