"KROL ROGER" - 26. Juli 2009

Eigentlich ist der König glücklich. Tollt er doch wie ein junger Hund über die hohen Stufen, die die Bühne beherrschen (Bühne Raimund BAUER), wirft sich gar wie ein solcher auf den Rücken vor Wonne und kann die Finger, vor allen Leuten, nicht von seiner Frau lassen. Aber diese Sinnlichkeit ("Sinn & Sinnlichkeit" sind das Motto heuer in Bregenz) wird gestört als dem König ein Hirte vorgeführt wird, der eine neue Religion verkündet. Auch diese ist sinnlich, sinnlicher als alles was der König kennt, und Roxane, die Königin, verfällt dem Neuen sofort. Die Priester hingegen fordern den Tod des Hirten. Als es zur Gerichtsverhandlung kommt, kann auch König Roger seine Faszination nicht verhehlen, Regisseur und Festspielleiter David POUNTNEY bringt hier den fast zwangsläufigen Bezug zu Syzmanowskis Homosexualität, aber nur Volk und Königin folgen willig dem lustvollen Hirten. Am Ende finden der König und sein Vertrauter Edrisi die Wahnsinnigen, doch zu spät. Der Hirte, nun als Gott Dionysos, tötet genußvoll Roxane, die anderen begehen kollektiv Selbstmord, selbst der alte Edrisi legt sich zum Sterben nieder. Nur Roger bleibt und bietet der aufgehenden Sonne sein Herz dar.

Pountneys extreme Deutung, daß Rausch nur im Tod enden kann, ist in klare Bilder gegossen. Die steilen Stufen, einer Homoki-Inszenierung würdig, werden in immer neues farbig klares, eher kaltes Licht getaucht (Licht Fabrice KEBOUR), die Choreographie (wirkungsvoll von Beate VOLLACK) füllt den Raum und die ständige, fast akrobatische Bewegung der Sänger verhindert ein oratorienhaftes Von-der-Rampe-Singen. So entstehen starke Eindrücke, die an Pountneys "Moses und Aron"-Inszenierung in München erinnern, nur viel schlichter und klarer.

Karol Szymanowskis Oper, 1926 uraufgeführt, bietet alle Qualitäten musikalischen Expressionismus'. Der Rausch wird greifbar, strömt über die Bühne, vermittelt den Stoff sinnlich (auch hier das Motto). Sir Mark ELDER am Pult der WIENER SYMPHONIKER gelingt diese Vermittlung eindrucksvoll.

Scott HENDRICKS in der Titelrolle genießt sichtlich den sportlichen Teil seiner Rolle, Will HARTMANN, fast ganz in Gold, gibt den Hirten/Dionysos mit der nötigen Überlegenheit und strahlendem Tenor. Der Edrisi von John GRAHAM-HALL hat die Brüchigkeit des alternden Philosophen, und Olga PASICHNYK singt die glatzköpfige Königin (Kostüme Marie-Jeanne LECCA) strahlend leidenschaftlich.

Auch der POLNISCHE RUNFUNKCHOR KRAKAU und das SÄNGERENSEMBLE DER STADT KATOWICE beeindrucken durch leuchtenden Klang.

Pountneys Vorliebe für slawische Musik wird auch im nächsten Jahr ihre Wirkung zeigen, wenn, wiederum in seiner Regie, Mieczyslaw Weinbergs völlig unbekanntes Werk "Die Passagierin" gezeigt wird. KS