"SKIN DEEP (HAUTNAH)" - 17. August 2009

Was ist eine Operette? Das Programmheft der Bregenzer Festspiele zu den drei Operetten dieses Sommers beantwortet die Frage zumindest in Teilen. Es zitiert Stephen Sondheim, der zwar das Musical meinte, aber die Operette nicht ausschließt: die "Summbarkeit", das Publikum mit einem Summen auf den Lippen nach Hause zu schicken.

Als die Festspiele in Kooperation mit Leeds, Berlin und Kopenhagen den Kompositionsauftrag an den britischen Komponisten David Sawer gaben, vergaßen sie allerdings, ihm diesen wichtigen Punkt mitzuteilen. Sawer erfüllte stattdessen einen anderen wichtigen Punkt: eine zeitkritische Satire zu schreiben. Librettist Armando Iannucci lieferte eine Geschichte um den Schweizer Schönheitschirurgen Dr. Needlemeier, der seine entstellte Sekretärin Donna lieben würde, sähe sie nur anders aus. Kein Problem, kurzerhand verpaßt er ihr das Gesicht seiner schönen Frau Lania und gibt der das Gesicht Donnas. Robert, der Verlobte von Needlemeiers Tochter entspricht auch nicht den ästhetischen Anforderungen der Familie und wird an allen Ecken und Enden so aufgehübscht, daß er sich, ganz Narziss, in sich selbst verliebt, was Needlemeiers Tochter dazu bringt, sich von ihrem Vater ebenfalls "auf Robert" stylen zu lassen. Darüber hinaus bastelt Needlemeier an einem Elixier für ewige Jugend, dem er zum krönenden Abschluß den Hoden eines berühmten Hollywoodstars einverleibt. Am Ende all dieses Chaos' entscheiden sich die vielen Kunden Needlemeiers, die alle entweder wie Robert oder wie Donna aussehen, doch lieber die Fehler ihrer selbst und die ihrer Partner zu akzeptieren: wir sind nicht perfekt, na und?

In den ersten beiden Akten läuft die stark perkussive und bläserlastige Musik auch noch gegen den Gesang, nach der Pause gehen beide besser zusammen. Einprägsame Melodien vermißt man allerdings auch weiterhin, Tänze werden in Ansätzen inszeniert, aber die Musik dazu fehlt. Das Stück wirkt wie vom Blatt inszeniert, was bei einem Regisseur wie Richard JONES, der doch gerade in München eine sehr freie Interpretation des "Lohengrin" abgeliefert hat, sehr wundert. Stimmung will im Publikum, außer bei den obligaten Lachern beim Thema männliches Geschlecht, nicht aufkommen. Kein tänzelndes Summen beim Verlasen des Theaters ist erkennbar.

An Richard FARNES, der dieses Gastspiel der Opera North, Leeds dirigiert und seinem ORCHESTER kann es nicht liegen, ebenso wenig wie an den Sängern, von denen Mark STONE als Hollywoodstar, Heather SHIPP als (echte) Donna und Janis KELLY als Lania besonders positiv hervorstechen.

Vielleicht ist es wirklich schwer, heute eine Operette zu schreiben, vielleicht hat man mit diesem Label auch einfach Erwartungen geweckt, die dieses Werk überfordert haben. Als satirisches Musiktheater zu einem aktuellen Thema in einer nicht so plakativen Regie, könnte es vielleicht bestehen. KS