"ACHTERBAHN" - 24. Juli 2011

Eine Uraufführung brachte heuer die Oper im Festspielhaus bei den Bregenzer Festspielen. Judith Weir (*1954), britische Komponistin, bearbeitete dafür ein sizilianisches Märchen und machte die Geschichte in ihrem Libretto dingfest in der heutigen Zeit.

Herausgekommen ist "Achterbahn" oder "Miss Fortune", so der Originaltitel. Eine Geschichte um den börsenbedingten Abstieg einer Familie, die Eltern (Alan EWING und Kathryn HARRIS) fliehen ins Ausland, die Tochter Tina (Emma BELL in einer Kraftrolle, die sie überzeugend meistert), will endlich selbst Geld verdienen. Gar nicht einfach, wenn man als Putzfrau in der Näherei auch noch als Nachtwache ausgenutzt wird, und dann eine Bande die Fabrik überfällt und zerstört. Wenn die Kebab-Bude eines neuen Freundes (eindringlich Noah STEWART) ebenfalls überfallen und angezündet wird, just, da Tina allein dort ist. Oder sie auch im nächsten Job als Büglerin von ihrer Chefin (Anne-Marie OWENS) ausgenutzt wird. Da zweifelt man dann doch an seinem Schicksal. Tinas Schicksal steht als Fate (ein sehr präsenter Andrew WATTS) denn auch leibhaftig auf der Bühne, ist immer dort, wo sie ist und richtet meist Schaden an. Nur am Ende, als Tina durch ihn einen Lottoschein erhält, der mit leichter Nachhilfe von Fate einen Jackpot von 100 Millionen bringt, scheint es aufwärts zu gehen. Tina verschenkt das Geld an die Bedürftigen und geht mit dem Mann (Jacques IMBRAILO), der sich in die Büglerin verliebt hat, in den Sonnenuntergang; das Schicksal im Schlepptau.

Märchenstoffe in der Oper sind reizvoll und kommen nie aus der Mode. Problematisch wird es dann, wenn schon Komponist oder Komponistin die Geschichte zu sehr festlegt, besteht doch der Reiz eines Märchens eigentlich in seiner Zeitlosigkeit. Man sollte es der Regie überlassen, gegebenenfalls einen Rahmen zu stecken und nur die Grundlage für die Phantasie legen. Das hat Ms Weir leider nicht getan, und so entfaltet sich eine Bilderfolge ohne Spannungsbogen, ohne überzeugende Dramaturgie. Die Regie von Chen SHI-ZHENG bebildert das Geschehen mit starken Farben, eindruckvollem Breakdance und klug eingesetzter Videotechnik, greift aber nicht korrigierend ein.

Das die knapp zwei Stunden trotzdem zu einem Erlebnis werden, liegt an der Musik, denn trotz des mißlichen Librettos ist Ms Weir eine Komponistin mit einem sehr feinen Händchen für die Oper. Sie findet für jeden Augenblick, die der Stimmung entsprechende Musik und bringt damit den Spannungsbogen, der der Geschichte fehlt. Hier erinnert sie, auch wenn es platt klingt, an Benjamin Britten, der immer die richtige Instrumentierung für die jeweilige Szene fand. Bei Paul DANIEL und den WIENER SYMPHONIKERN war diese Musik bestens aufgehoben.

Am Ende Begeisterung im ziemlich ausverkauften Festspielhaus, in dem das Konzept und der Mut von Intendant David Pountney mal wieder Früchte getragen haben. KS