"KATJA KABANOWA" - 8. November 2009

Seinen Briefen kann man entnehmen, daß Leoš Janáceks größtes Problem mit dieser Oper die Namensfindung war. Denn er wollte ihr nicht - wie bereits bei "Jenufa" - den Namen der weiblichen Hauptrolle geben. Für diese Aufführung ist der Titel jedoch mehr als gerechtfertigt, da Susanne SERFLING die Rolle der Katja so überragend spielt und singt. Für mich ist das besonders erfreulich, da ich die Entwicklung dieser Sängerin, die ich vor knapp zwei Jahren noch als langweilig bezeichnet hätte, quasi miterleben durfte. Davon abgesehen, daß sie so überzeugend die Zerrissenheit ihrer Rolle darstellen kann, gelingt es ihr meistens das Orchester zu übertönen, was leider nicht von allen Sängern an diesem Abend gesagt werden kann.

So beispielsweise Viola ZIMMERMANN als Barbara. Gerade in den ersten zwei Akten ist sie bereits in der elften Reihe kaum mehr über dem Orchester zu hören, und der Text zu ihrem, nebenbei bemerkt großartigen, Mienenspiel ist leider nur lesbar. Erfreulich ist es, daß sie sich im Laufe des Abends offenbar eingesungen hat, und ich in den letzten beiden Akten feststellen durfte, daß sie doch oberhalb der Hörschwelle singen kann.

Leider kann man nicht einmal das von Andreas DAUM als Dikoj sagen, der so schwach anfing, daß ich es ihm schon fast positiv anrechnen muß, daß er nicht auch noch stark nachließ. Erfreulich ist noch sein schauspielerisches Talent, aber musikalisch bin ich eigentlich bessere Leistungen von ihm gewohnt.

Genau das Gegenteil kann von Norbert SCHMITTBERG als Boris Grigorjevic behauptet werden. Während die sängerische Leistung hier überzeugend war, schien ihm das Verb "schauspielern" so fremd zu sein, als hätte man ihm die Anweisung auf tschechisch gegeben.

Apropos tschechisch: Davon war an diesem Abend leider auch wenig zu merken. Die Oper wurde vollständig auf deutsch aufgeführt, was ich schade finde. Übertitel wurden trotzdem eingeblendet, obwohl ich überraschenderweise zugeben muß, daß sie nur selten notwendig waren.

Ein Sänger, der sie definitiv nicht gebraucht hätte, war Lucian KRASZNEC als Vána Kudrjáš. Er war stimmlich wie schauspielerisch mit Abstand der Überzeugendste der männlichen Darsteller an diesem Abend. Schon als Simon Zealotes in "Jesus Christ Superstar" hatte er mich überrascht, vor allem als ich erfuhr, daß er eine ganz klassische Opernausbildung hinter sich hat. Spätestens jetzt frage mich aber, wann das Staatstheater ihm endlich größere Rollen zuteilt.

Das ORCHESTER unter der Leitung von Martin Lukas MEISTER brauchte leider die Ouvertüre, um sich warm zu spielen, fand sich doch in dieser noch ein deutlicher Fehler, der aber bereits in der Wiederholung der Phrase nicht mehr zu hören war. Sonst meistert das Orchester die schwierige Musik Janáceks wirklich gut - nur leider zu laut.

Schließen wir mit der letzten freudigen Überraschung des Abends, nämlich Sonja BOROWSKI-TUDOR als Kabanica, ebenfalls eine der ewigen Nebenrollensängerinnen des Staatstheaters, die fast in der Lage gewesen wäre, Katja die Schau zu stehlen. Sie brachte schauspielerisch wie stimmlich deutlich den Hausdrachen zum Ausdruck, ohne dabei schrill oder hysterisch zu klingen.

Der Rest der Solisten - leider inklusive Tichons (Andreas WAGNER) - war eher unauffällig.

Noch einige Worte zur Inszenierung des Intendanten John DEW. Sein Einsatz von Farben zur Kenntlichmachen von Zusammengehörigkeit, aber leider auch zur Bewertung von Charakteren wurde schon in früheren Inszenierungen deutlich und kommt auch hier wieder zur Anwendung. Tichon, die Kabanica und Dikoj tragen schwarz; Barbara, Boris, Katja und Kudrjáš helle Farben, wobei nicht zu übersehen ist, daß Katja ab der Liebesszene in rosa und weiß gekleidet kommt. Die Kostüme (José-Manuel VÁZQUEZ) erinnern an die Jahrhundertwende und sind sonst eher unauffällig.

Im Bühnenbild (Heinz BALTHES) ist die Wolga in jedem Akt präsent; entweder ist die Wasserfläche direkt sichtbar oder doch zumindest die Reflexion der Wellen an der Wand. Als wenn das in Innenräumen nicht schon seltsam genug wäre, verläßt uns aber auch die Wolgabrücke niemals. Meist legt daher der Anblick einzelner, im Raum hängender Stahlteile nahe, daß die Kabanows die Wahl ihrer Inneneinrichtung noch mal überdenken sollten. Nora Gregor