"TURANDOT" - 7. März 2010

Wenn ausverkaufte Vorstellungen ein gutes Vorzeichen sind, dann ist Wahrsagerei wohl doch begrenzt möglich…

John DEW ist eine recht unaufwendige Inszenierung gelungen, die aber gelegentlich in den Kitsch abrutscht. Das Bühnenbild (Heinz BALTHES) besteht eigentlich nur aus einer Brücke, einer Tribüne im zweiten Akt und einem dekorativ in der Mitte der Bühne stehenden Bett im Dritten. Ständig präsent waren eine große Menge von der Decke hängender Glühbirnen. Welchen Sinn diese, abgesehen von der Erhellung der Bühne, noch haben, bleibt mir allerdings verschlossen.

Die Kostüme (José-Manuel VÁZQUEZ) könnten aus einem Laden für Kinderkostüme stammen, so sehr sieht gerade der völlig einheitlich gekleidete Chor nach europäischen Klischeevorstellungen aus. Dew liebt Farbzuordnungen: Chinesen tragen schwarz-rot, Kaiser und Tochter Gold, Tartaren grün. Während die Schnitte der übrigen chinesischen Kostüme wenigstens noch etwas mit China zu tun haben, stammt Turandots Kleid leider aus dem Land der Seltsamen Fantasien. Und obwohl mir ja klar ist, daß die Kleidungsstücke der beiden Exil-Tartaren Mäntel darstellen sollen, ist der Schnitt so ungeschickt, daß mich gerade Calaf immer an das Symbol über Damentoiletten erinnert.

Das ist aber genauso egal wie die Tatsache, daß Zurab ZURABISHVILI (Calaf) sich bewegt wie eine Playmobil-Figur. Er singt mit einem Ausdruck und einer Emotion, daß die Gesten nicht wirklich nötig sind. Wenn er im Finale des ersten Akts die Minister anfleht "Laßt mich!", dann fällt es kaum auf, daß er nicht den Ansatz eines Versuchs macht, ihre Griffe zu lösen; diese einzige Zeile sorgt schon für Gänsehaut.

Die Fähigkeit, so mitnehmend zu singen, scheint in der Familie zu liegen, denn auch Thomas MEHNERT als Timur hat mich sehr beeindruckt. Während er im ersten Akt noch ein wenig mit der Lautstärke des Orchesters gekämpft hat, hat mich seine Klage über den Tod Liùs zu Tränen gerührt. Damit ist er der dritte Sänger, dem das gelungen ist.

Katrin GERSTENBERGER verkörperte eine sehr überzeugende "Todesprinzessin", der Wandel gelang ihr dagegen nicht ganz so gut. Stimmlich war ich beeindruckt; es gelingt ihr so mühelos den Raum zu füllen und das Orchester in Grund und Boden zu singen. Eine etwas kleinliche Kritik geht an die Regie: Katrin Gerstenberger ist keine auffällig gut aussehende Frau mit recht harten Gesichtszügen, und die Kombination aus Perücke und Make-up tat keinen Beitrag, das irgendwie abzuschwächen. Es ist völlig unverständlich, wie sich jemand auf den ersten Blick in sie verlieben sollte. Kleinigkeit, aber mich stört es.

Susanne SERFLING als Liù war aber doch in der Lage gut mitzuhalten, was beeindruckende sängerische Leistung angeht. Auch sie hat eine ausdrucksstarke Art zu singen und bekam als Einzige spontanen Szenenapplaus.

Die drei Minister fallen vor allem als Opfer einer übereifrigen Choreographin (Anthoula PAPADAKIS) auf. Ihr Bewegungen erinnern an eine Mischung aus Tai Chi, Kung Fu, Ballet und Pantomime, zusammengestellt von jemandem, der alle vier nur vom Hörensagen kennt. Gestik und Mimik sind völlig übertrieben, aber das Ergebnis ist lustig, auch da die drei ihr "Geblödel" bis in den Schlußapplaus fortsetzten. Deswegen will ich mich gar nicht weiter darüber mokieren, sondern erinnere mich lieber an Ping (David PICHLMAIER), der, nachdem Calaf sein Rätsel gestellt hatte, hemmungslos in seine langen Ärmel zu schluchzen begann. Sängerisch war nur Pang (Sven EHRKE) auffällig schlecht; ich habe einen falschen Einsatz und mehrere unsichere Töne gehört. Pong (Lucian KRASZNEC) hielt alle Erwartungen, die ich mittlerweile an ihn habe.

Leider waren sie Dew als Comic Relief wohl nicht ausreichend, denn auch Altoum wird zur lächerlichen Figur. Der Wunsch "Zehntausend Jahre unserem Kaiser" wurde wohl als Aussage verstanden, so klapprig wird er gezeigt. Musikalisch hört man über dem Orchester nichts von ihm, aber auch das erfüllt alle meine Erwartungen an Markus DURST.

Der Mandarin/Henker (Oleksandr PRYTOLYUK) und die beiden Mädchen (Aki HASHIMOTO, Niina KEITEL) waren unauffällig.

Letztendlich sollte ich noch den CHOR unter der Leitung von André WEISS lobend erwähnen. Gerade die ausgedehnten Chorstellen im ersten Akt waren ein Genuß. Der KINDERCHOR, der als chinesische Engelchen mit langen Zöpfen auftrat, war wesentlich weniger überzeugend.

Das ORCHESTER unter der Leitung von Lukas BEIKIRCHER lieferte eine anständige Untermalung des Ganzen, ohne bemerkenswerte Ausrutscher in die eine oder andere Richtung.

Insgesamt bleibt die Freude über die Musik und das leise Gefühl, das keiner der Beteiligten die Oper so richtig ernst genommen hat.
Nora Gregor