"AIDA" - 18. September 2011

"Neulich war ich im Musical. Um vier Uhr ging es los. Etwa eine Stunde später sah ich auf die Uhr, und da war es Viertel nach." So sehr wie am Sonntag in Elton Johns "Aida" konnte ich diesen Witz noch nie nachvollziehen…

Die Hauptschuld dabei liegt nicht einmal beim Staatstheater sondern schlicht und einfach am Stück. Die Geschichte ist wird durch die ganzen zusätzlichen Verwicklungen auch nicht interessanter, die deutsche Übersetzung der Texte ist holprig und ungeschickt, selbst wenn man die Originaltexte nicht kennt, und so langweilige und eintönige Musik habe ich nicht mehr gehört, seit mein Plattenspieler einen Hänger hatte, und immer die selben zwei Sekunden abgespielt hat.

Das Stück wird durch seine Besetzung nicht unbedingt interessanter. Der CHOR unter André WEISS gibt sich zwar große Mühe, aber ein Opernchor der Musicals singt? Es funktioniert einfach nicht immer, und in diesem Fall hat der typische Klang des Chores nicht gerade geholfen, die Stücke weniger langweilig klingen zu lassen. Das ORCHESTER, dirigiert von Vladislav KARKLIN fiel überhaupt nicht weiter auf.

Von den Solisten in Zwei-Zeilen-Rollen, Juri LAVRENTIEV, Werner Volker MEYER, Stephanie EINEDER und Hanna BROSTRÖM fiel keiner besonders auf. Sarah RÖGNER als Nehebka übertrieb es beim Schauspielern so schamlos, daß es fast schon peinlich, war ihr zuzusehen.

Hubert BISCHOF als der Pharao hat eine reine Sprechrolle und wirkte auf der Bühne stellenweise genervt oder gelangweilt. Ob er von dem Stück das Selbe hält wie ich, oder ob das ein Nebeneffekt beim Spielen eines alten, kranken Mannes war, weiß ich nicht zu sagen…

Malte GODGLÜCKs Amonasro ist eine auffällige Erscheinung. Zu singen hat er leider nichts, aber er spielt gut und seine Tochter Aida mühelos an die Wand. Auch Andreas WAGNER als Mereb fiel durch sein gutes Schauspiel auf. Gesanglich war er ebenfalls eines der erfreulicheren Erlebnisse des Abends.

Die große Katastrophe zeigte sich erst bei den beiden weiblichen Hauptfiguren. Sigrid BRANDSTETTER (Amneris) gewinnt hierbei noch über ihre Rivalin, da ihr wenigstens noch ein überzeugendes und stellenweise auch amüsantes Schauspiel gelingt. Auch hat sei eine weniger unangenehme Stimme als Aida.

Dominique AREF als Aida fällt dagegen nur unangenehm auf. Ihre Stimme klingt sogar beim Sprechen schrill, beim Singen stellenweise sogar schmerzhaft und unter "Schauspielen" scheint sie eine Ansammlung mehr oder weniger verzweifelter Blicke zu verstehen. Gleich zwei Dinge habe ich durch sie das erste Mal erlebt: Dass ein Solist einen lange gehaltenen Schlußton abbricht, um Luft zu holen, und dann weiter singt, und daß das Bedürfnis mir die Ohren zuzuhalten so stark wird, dass ich ihm aus Mitleid mit meinen Trommelfellen nachgebe. Wer auch immer neben ihr auf der Bühne stand, verdient eine Tapferkeitsmedaille.

Zumindest ein Sänger hat mich nicht enttäuscht und alle Erwartungen erfüllt, die ich an ihn hatte: Chris MURRAY als Radames. Er ist als Einziger problemlos verständlich; er singt und spielt sehr überzeugend und mit einer eigenen Begeisterung, die sich fast auf mich überträgt; kurz gesagt, wenn an diesem Abend überhaupt jemand bei mir irgendeine emotionale Reaktion hervorrufen konnte, dann war es Radames. Es ist der Unterschied zwischen einem Schauspieler, den man mit seiner Rolle verwechselt, und einem Schauspieler, von dem man sagt, er habe diese oder jene Rolle gespielt.

Der Einzige, der ihm wirklich noch etwas entgegenzusetzen hatte, war Randy DIAMONDs Zoser. Er hat eine ausgesprochen kräftige Stimme, der man gerne zuhört. Außerdem bringt er ein gewisses tänzerisches Talent mit; sein Solo "Eine Pyramide mehr" war stark choreographiert, und es war eine Freude dabei zuzusehen.

Das Beste der Inszenierung (Johannes REITMEIER) war aber sicherlich die Kombination aus Kostümen (Michael D. ZIMMERMANN) und Bühnenbildern (Thomas DÖRFLER). Was die Kostüme angeht, hat jemand zumindest recherchiert; dann aber beschlossen, den Großteil der Sänger doch anders einzukleiden. Die Kostüme sind bunt, die Farbzuteilung eindeutig: helle, warme Farben für die Nubier, Soldaten in schwarz und Ägypter in mehr oder weniger dunkel. Radames trägt ab seiner Begegnung mit Aida nur noch weiß oder gold. Im Detail scheinen die Kostüme farblich passend zu jeder Szene ausgewählt worden zu sein. Das Bühnenbild besteht vor allem aus zwei großen gelben Treppen, die in der Form meistens eine Pyramide bilden, aber auch häufiger herumgeschoben werden. Hin und wieder findet die Handlung auch vor einem dünnen Vorhang statt, auf den Bilder projiziert werden (Karl-Heinz CHRISTMANN); beispielsweise ein Feuer für Merebs Erzählung "Ich kenn dich" oder diverse Afrikabilder für Radames' und Aidas Träume in "Von einem Traum entführt".

Schließlich gibt es auch noch eine prunkvolle Thronsaal-Kulisse unter der sich im letzten Akt auch die Höhle für das Grab der Hauptfiguren befindet. Zusammen mit einer aufwendigen Choreographie (Anthoula PAPADAKIS), die nur leider unter der stellenweise fehlenden Synchronie der Tänzer leidet, und einigen auffälligen Lichteffekten entstehen auf der Bühne Bilder, die mich wünschen lassen, ich könnte den Ton abstellen und einfach nur zusehen.

Abschließend kann ich nur sagen, daß ich mich schon für weniger Geld gelangweilt habe und mich darüber ärgere, daß das Staatstheater wegen so einem Schnarchstück bereits zum zweiten Mal die Wiederaufnahme von "Jesus Christ Superstar" abgesagt hat. NG