"NABUCCO" - 24. November 2011

Nach längeren fruchtlosen Versuchen endlich Karten zu bekommen, ist es mir bald ein Jahr nach der Premiere tatsächlich gelungen. Ganz unverständlich ist mir der Andrang auf das Stück nicht.

Die Inszenierung (Lothar KRAUSE) zeichnet sich vor allem durch ein aufwendiges Bühnenbild (Dirk HOFACKER) aus. Das Zentrum der Bühne bildet eine Treppe. Das Jordanufer wird durch einige schräge Plattformen dargestellt; für den Palast finden sich Säulen mit Widderskulpturen an jeder Seite; für den Tempel ist vorne in der Mitte die Bundeslade zu sehen, auf die tatsächlich die biblische Beschreibung paßt. Davor befindet sich eine kleine Feuerstelle, in der auch hin und wieder ein Feuer brennt. Auch der Tempel wird tatsächlich, zumindest stellenweise, in Brand gesetzt. Dazu kommen einige nette Lichteffekte und die Bühnenbilder bleiben einige der eindrucksvollsten Erinnerungen des Abends.

Die Kostüme (auch Hofacker) waren da schon wesentlich einfallsloser. Die Israeliten trugen ausschließlich weiß, wobei sich die drei Hauptfiguren allein durch den Gebrauch farbiger (blauer, bzw. hellbrauner für Ismaele) Kleidung hervorhoben. Ebenso trugen die Assyrer diverse Grüntöne, mit Ausnahme Abigailles. Ein mit Sonnen verzierter goldener Mantel als Zeichen der Herrscherwürde wanderte, ähnlich wie die Krone, zwischen Nabucco und Abigaille hin und her. Insgesamt war jedoch so wenig Bewegung in der Inszenierung, dass man die Oper mit diesen Hintergrundbildern und Kostümen genau so gut hätte konzertant aufführen können. Ich werde daher auch nicht bei jedem Sänger einzeln darauf hinweisen, daß er/sie so unbeweglich war wie eine Salzsäule, da dies grundsätzlich bei fast jedem der Sänger stehen müßte.

Margaret Rose KOENN als Anna hat wenig Chance ein sängerisches Talent unter Beweise zu stellen. Ähnliches gilt auch für Kalle KANTTILA als Abdallo.

Daß Thomas MEHNERT, dem es doch tatsächlich gelang, am Ende des zweiten Akts trotz Orchester und Chor hörbar zu bleiben, nur den Hohepriester des Baal spielen durfte, werde ich wohl nie verstehen. Vor allem da John IN EICHEN als Zaccaria sich vor allem durch schlechte Artikulation und, selbst im Kontext dieser sehr steifen Inszenierung, auffällige Unbeweglichkeit auszeichnet. Dazu kommt, daß er deutliche Schwierigkeiten mit den Tiefen der Rolle hat. Die tiefen Töne sind zu leise und klingen schnarrend. Warum nimmt man dann nicht den Sänger, der mit Tiefen noch nie Probleme hatte?

Anja VINCKEN als Fenena war schlicht und einfach nicht zu hören. Sie spielt unauffällig und geht zwischen Begleitung und Mitsängern unter, sobald sie nicht a cappella singt. Tatsächlich habe ich an dem Abend so wenig von ihr mitbekommen, daß ich nicht mehr über sie zu sagen habe.

Joel MONTEROs Ismaele hatte etwas von einem klassischen Opernhelden. Allein sein erster Auftritt am oberen Ende der Treppe hinterließ diesen Eindruck, doch auch sein weiteres Spiel und sein Gesang paßten dazu. Er spielte etwas einfallslos, aber sang gut.

Katrin GERSTENBERGER als Abigaille schwächelte im ersten Akt leider ein wenig und sang einige hohe Töne mit deutlicher Anstrengung. Im zweiten Akt hatte sie sich allerdings wieder gefangen. Wirklich beeindruckend war ihr letzter Auftritt mit der Bitte um Vergebung, die ausgesprochen berührend gesungen war.

An Bastiaan EVERINK als Nabucco hatte ich keine hohen Erwartungen mehr, aber ich hatte vergessen, daß er schon einmal in einer Verdi-Oper brilliert hatte. Denn das gelang ihm auch dieses Mal. Im Vergleich zu den meisten anderen Sängern war er dieses Mal ausgesprochen beweglich; sein Schauspiel war ausdrucksstark und überzeugend und sein Gesang war vielfältig genug, um alle Aspekte der Rolle zu umfassen. Man nahm ihm sowohl den Nabucco ab, der sich zum Gott erklärt, als auch den, der Abigaille um das Leben seiner Tochter anfleht. Gerade letztere Szene war unglaublich ergreifend.

Der CHOR und EXTRACHOR unter André WEISS scheint unter dem Fortgang des langjährigen Chorleiters vor zwei Wochen gelitten zu haben, denn man hörte hier einiges an Ungenauigkeiten. Das wirkte sich vor allem auf den ersten Akt aus, in dem der Chor völlig unverständlich blieb und stellenweise im Orchester unterging. Auch im zweiten Akt kam er einmal kräftig aus dem Takt, auch wenn sich insgesamt der Eindruck verbesserte.

Das ORCHESTER unter Martin Lukas MEISTER hatte mehr als ein paar Probleme mit der Lautstärke. Viel zu oft wurden Sänger übertönt, aber auch innerhalb des Orchesters waren nicht immer die richtigen Instrumente die lautesten. Damit meine ich vor allem die Blechbläser, die einige Male wesentlich zu laut spielten. Die Ouvertüre war leider kein wirklicher Genuß.

Letztendlich handelte es sich um eine sehr solide Aufführung mit einem wirklich herausragenden Sänger und einem beeindruckenden Bühnenbild; gut, aber nichts Besonderes, abgesehen von der Tatsache, daß ich eine meiner Lieblingsopern endlich einmal live erleben konnte. NG