"SALOME" - 11. Mai 2013

Wenn Darmstadt nur eine einzige schöne Ecke hat, dann sind es die Jugendstilgebäude auf der Mathildenhöhe. Dazu passend bekommen wir nun ein schönes Stück aus der Zeit mit sehr jugendstiligem Dekor.

Heinz BALTHES Bühnenbilder sind voller Jugendstilmotive: So besteht ein Bild aus einem typischen Blumenmotiv; ein Hintergrund ist einem gußeisernen Tor Gaudís nachempfunden. Auch die Möbel stammen aus dieser Zeit (Stühle und Salomes Kommode), ebenso wie einige Kostümdetails (Kostüme: José-Manuel VÁZQUEZ), zum Beispiel die Rankenverzierungen an Salomes Kleid. Auch hat man sich möglicherweise bemüht, mit einigen Szenenbildern Beardsleys berühmte Illustrationen der Erstausgabe von Oscar Wildes Stück nachzustellen. Eine durchaus interessante Idee.

Etwas seltsam fand ich die Choreographie (Anthoula PAPADAKIS) zu Salomes Tanz - ja, ich weiß, daß das nicht so harmlos gemeint ist, aber wenn sich Salome auf den Schößen der anwesenden Herren räkelt hat das auch mit Tanz nicht mehr so viel zu tun… Ich bin ja glatt beeindruckt, daß die Sängerin das mitgemacht hat. Dazu kam das etwas seltsame Verhältnis zwischen Herodias und der Sklavin - die Hauptaufgabe der Letzteren bedarf wenig Gerate. Wieso ist Herodias überhaupt verheiratet? Und obwohl ich nicht verheimlichen will, daß die Hintergrundhandlungen der zwei mich meistens sehr amüsiert haben, verstehe ich einfach nicht, was das Ganze sollte.

Es gab allerdings auch einige Momente der Inszenierung (John DEW), die mir besser gefielen: Wie sich Herodes' Gäste nach Salomes Tanz vor ihr aufreihten, um nach Autogrammen zu fragen. Die ziemlich arschkriecherische Darstellung der Gäste, die mich mehrmals zum Lachen brachte. Wie sich alle Anwesenden je eine Tüte Popcorn holten, um zuzusehen, was Salome denn nun mit dem Kopf des Jochanaan vorhat…

Das ORCHESTER hat mit Evan CHRIST einen mir neuen Dirigenten, aber das ist nicht zu seinem Nachteil. So klar habe ich dieses Orchester schon lange nicht mehr spielen hören. Ein besonderes Lob geht an den Unbekannten an der Es-Klarinette.

Bevor ich zu den einzelnen Rollen komme, eine Frage in Richtung des Autors/der Autoren des Programmhefts: Ich fand es eine schöne Angewohnheit, am Ende des Hefts die Namen der auf den einzelnen Fotos gezeigten Sänger/Schauspieler aufzulisten. Warum wurde das eigentlich abgeschafft?

So war ich nämlich, bis zum nächsten Internetzugriff, unsicher, wer denn nun Erica BROOKHYSER (ein Page der Herodias) und wer Hannah GARNER (eine Sklavin) war. Mittlerweile weiß ich, daß die Letztere kaum etwas zu singen hatte und die Erstere eine anständige, aber unauffällige Leistung abgeliefert hat.

Unter den kleineren Rollen fielen Lasse PENTTINEN (Erster Jude), Peter KOPPELMANN (Zweiter Jude) und Werner Volker MEYER (zweiter Nazarener) auf. Übertroffen hat sie noch Thomas MEHNERT (Erster Soldat und Erster Nazarener), dessen mich immer wieder beeindruckender Baß scheinbar überall herauszuhören ist.

Mark ADLERs Narraboth nennt eine ausgesprochen wohlklingende Stimme sein Eigen, leider gelang es ihm nicht immer sich gegen das Orchester durchzusetzen. Neben Salome wirkte er sowohl in seiner Rolle als auch stimmlich manchmal ein wenig verloren. Dennoch hat mir sein klarer und recht weich klingender Ton sehr gut gefallen.

Meine Meinung über Susanne SERFLINGs Salome ist ein bißchen geteilt: größtenteils gefiel sie mir gut; sie spielte eine sehr manipulative Salome, mit einem scheinbaren Hang zur Geisteskrankheit (oder war das nur die Auswirkung der Verliebtheit?) und ihr klarer und kräftiger Gesang konnte beeindruckend. Doch leider geht es nicht ohne "aber": drei oder vier Mal gelang ihr ein, meist hoher, Ton nicht, lag knapp daneben oder klang einfach unschön. Der Haupteindruck bleibt jedoch positiv.

Gundula HINTZ als Herodias überzeugt vor allem als Schauspielerin, deren etwas vulgärer Auftritt und Dialoge mit Herodes mich mehr als einmal zum Grinsen brachten. Sollte die Handlung vorne auf der Bühne langweilig sein, brauchte man nur mal nach ihr zu sehen, und es fand sich mit Sicherheit zumindest irgendein kleiner Gag. Ihr Gesang war gefällig, aber nicht sonderlich auffallend.

Stark überrascht hat mich Scott MACALLISTER (Herodes), den ich bisher nur einmal und das wohl an einem sehr schlechten Abend erlebt hatte. Dementsprechend wußte ich nicht, was mich dieses Mal erwartete, und war daher sehr erfreut. MacAllister gelang sowohl ein durchaus wohlklingender Gesang als auch ein überzeugendes Schauspiel. Sein Herodes wird als bereits angetrunken dargestellt, und seine sich nach und nach ändernden Gefühle gegenüber Salome hat er gut deutlich machen können. Stimmlich fiel er durch einen glasklaren Ton auf; seinem Gesang fehlte die Spannung nie, und seine Höhen konnten beeindrucken.

Trotz seines relativ kurzen Auftritts war Kay STIEFERMANN als Jochanaan jedoch der beste Darsteller des Abends. Sein Gesang war voller Ausdruck, kraftvoll und stellte selbst in Piano-Passagen alle um ihn herum in den Schatten. Sein Spiel war stellenweise fast komisch, als er sich fast hilfesuchend zu den Soldaten umwandte, als wolle er sie bitten, ihn gegen Salomes Annäherungsversuche zu verteidigen. Als es ihm später nicht gelang, Salome zu überreden, Jesus in die Wüste zu folgen, wirkte er von einer solchen Trauer erfüllt, daß mir die Tränen in die Augen stiegen.

Eine sehr gelungene Aufführung. Wenn es mir das Staatstheater leichter machen würde zu erfahren, wann die Zweitbesetzungen singen, würde ich glatt noch mal hingehen… NG