"AUS EINEM TOTENHAUS" - 16. Mai 2009

Leoš Janácek hatte eine Vorliebe für Stoffe über die dunklen Seiten der Menschen, und wie diese miteinander umgehen. Man denke an "Jenufa" oder "Katia Kabanova". Am deutlichsten aber wird das in seiner letzten Oper "Aus einem Totenhaus", für die er sich ausgerechnet Dostojewskis Bericht aus einem sibirischen Strafgefangenenlager ausgewählt hatte. Viel dunkler kann die menschliche Existenz nicht gezeigt werden.

Daß das Werk trotzdem immer wieder in den Spielplänen aufscheint, verdankt es nicht zuletzt Janáceks ergreifender Musik. In wohl keinem anderen seiner Werke sind Bedrohung und Hoffnungsschimmer so eng verwoben, es ist ein Ringen über die gesamten eineinhalb Stunden der Oper. Noch-GMD John FIORE und die DÜSSELDORFER SYMPHONIKER halten diese Spannung mit herbem Klang über weite Strecken durch, lassen keine Ruhe aufkommen, peitschen voran.

Für die Bilder dazu sorgt Regisseur Stein WINGE. Sein Bühnen- und Kostümbildner Herbert MURAUER schafft das Gefangenenlager als grauen Hochsicherheitstrakt eines modernen Gefängnisses. Grau ist auch die Kleidung der Männer, die bewacht werden von schwarzen Männern und Frauen (!), die einer SEK-Einheit entliehen sein könnten. Alles wirkt kalt, fast klinisch, die Gefangenen teilweise hinter Glas, alles weit weg vom Dreck und der Kälte des sibirischen Omsk.

Worauf es ankommt sind die Männer, die das Schicksal dorthin verschlagen hat und ihre Geschichten. Einer nach dem anderen erzählt seine persönliche, mal leise, mal im Wahnsinn, mal brutal, mal resigniert. Beziehungen bahnen sich an oder enden, alles von Janá?ek fein verwoben. Und hier liegt die Stärke der Düsseldorfer Inszenierung. Jeder des Ensembles gibt alles für seine Rolle, und alle tun das sehr spielstark, manchmal dafür mit stimmlichen Schwankungen, wo die Personenregie sie öfter im Stich lässt. Erwähnt werden müssen Ludwig GRABMEIER als Adeliger Alexander Petrowitsch Gorjantschikow, Michael PFLUMM als jugendlicher Aljeja, Alfons EBERZ als Luka, Bruce RANKIN als Schapkin, Jan VACIK als Skuratov und Oleg BRYJAK als Schischkow.

Obwohl Janácek immer besonderen Wert auf den Zusammenklang von Text und Musik gelegt hat, ist man doch beinahe geneigt, sich eine Aufführung in deutscher Sprache zu wünschen, bei einem Werk mit viel Text und vergleichsweise wenig Handlung, und bei einem Ensemble, denen die tschechische Sprache größtenteils nicht leicht über die Lippen geht.

Am Ende entlassen die Häftlinge den Adler, den sie gesund gepflegt haben in die Freiheit der sibirischen Wälder. Sie selbst liegen auf dem Boden und bewegen die Arme als ob auch sie davon fliegen könnten. Und Janáceks Musik dazu läßt zumindest einen Rest Hoffnung, wie vergeblich auch immer. KSch