"PENTHESILEA" - 10. Februar 2008

Gut 80 Jahre nach ihrer Uraufführung am selben Ort, kehrte die "Penthesilea" des Schweizer Komponisten Otmar Schoeck (1886 -1957) nun in die Dresdener Oper zurück. Einiges hat sich seit dem getan. So gab es in der Uraufführung eine Besetzung von u. a. mehreren Klavieren, aber keinen Streichern, was Schoeck anschließend in nur zwei Klaviere, vier Soloviolinen, stark besetzte Bratschen, Celli und Kontrabässe abmilderte. Die zehn Klarinetten, viel Blech und Schlagzeug allerdings beließ er.

Sollte es das sein, was dem Werk den Eingang ins Repertoire bis heute verwehrt hat? Schwer zu sagen, denn die Aufführung jetzt in Dresden (wie wohl auch die kürzlich in Basel) zeigt ein mitreißendes Stück Musiktheater.

Schoeck hat den Kleist'schen Text straff gekürzt und vertraut den Worten so sehr, daß er nicht geringe Teile deklamieren lässt. Eine Herausforderung für die Sänger, die oft von der Sprech- in die Singstimme wechseln müssen. Besonders dabei für die Titelfigur, die fast die gesamten 75 Minuten auf der Bühne ist und gewaltige emotionale Stürme durchlebt.

Penthesilea wird vom Griechen Achilles in der Schlacht besiegt und bricht bewußtlos zusammen. Bei ihrem Erwachen wird ihr vermittelt, daß sie den Griechen besiegt habe, denn nur so kann sie den Helden zum Geliebten nehmen, der sich inzwischen in sie verliebt hat. Penthesilea erwidert diese Liebe, und beide teilen Momente des Glücks. Als aber die Lüge heraus kommt, bietet Achilles zum Schein einen zweiten Kampf an; er will sich kampflos der Geliebten ergeben. Im Sturm ihrer Gefühle erkennt Penthesilea dies nicht und zerfleischt den vermeintlichen Gegner. Als ihr die Tat bewußt wird, will auch sie nicht mehr leben.

Iris VERMILLION ist eine beeindruckende Amazone. Schlank und sportlich, aber wie ihre Kriegerinnen in schwarzem Korsagenkleid mit weitem Rock (Kostüme Falk BAUER), beherrschen ihre Gefühle und ihre Stimme die Bühne. Die dunkle extreme Tiefe, samten und hart zugleich, beherrscht sie in Ausbrüchen großer Leidenschaft, wie auch bei milderen Klängen im Liebeswerben. Wenn sie am Ende blutüberströmt, nun in jungfräulichem Weiß, einsam auf der Bühne steht, zerbrechlich und zerbrochen, ist das großes Theater, ein Augenblick, in dem die Geschichte still steht.

Der Achilles von Markus NIEMINEN bietet ihr in Darstellung und äußerem Machismo ein überzeugendes Gegenüber, stimmlich tut er dies leider nicht. Da schon eher die Kriegerinnen Milana BUTAEVA als Protoe, Stephanie ATANASOV als Meroe, Alexandra PETERSAMER als Oberpriesterin und Birgit FANDREY als erste Priesterin, ergänzt durch den guten CHOR DER SÄCHSISCHEN STAATSOPER DRESDEN, auch wenn sie in ihrem Einheitskriegerinnenlook mit den weißen Gesichtern nur schwer auseinander zu halten sind.

Günter KRÄMER verläßt sich bei seiner Regie auf die Wirkung der Figuren. Außer der Bewegungschoreographie der Kriegerinnen ist der überwiegende Teil eher statisch inszeniert, was die Bühne von Jürgen BÄCKMANN mit ihrer massiven goldenen Wand noch unterstreicht. Größere Eingriffe nimmt Krämer am Anfang vor, als er von einer Schauspielerin (Anna Franziska SRNA) einen Brief Kleists an seine Cousine zitieren läßt, in dem jener im Zusammenhang mit der "Penthesilea" für ein Theater für Frauen und einem für Männer plädiert, da die Frauen diese Stoffe nicht vertrügen. Eine Geste, die vielleicht etwas über Kleist sagt, an dieser Stelle aber nicht erhellend ist. Schlüssiger ist da schon das Ende, wenn Penthesilea den Achilles nicht gänzlich zerfleischt hat, wie das Libretto nahe legt, sondern ihn anscheinend bei lebendigem Leibe entmannt hat. Wie sagt sie so schön: "Küsse, Bisse, das reimt sich".

Viel zum, man mag bei diesem Thema kaum Genuß des Abends schreiben, trägt die SÄCHSISCHE STAATSKAPELLE unter Gerd ALBRECHT bei. Jede Schattierung, jeder Ausbruch von Schoecks Musik wird zum Leuchten gebracht. Und leuchten tut diese Musik, zwischen Spätromantik und ganz eigenem Duktus.

Wie schon vor 80 Jahren auch diesmal überwiegend einhelliger Jubel in der Premiere. Vielleicht ist es ja diesmal ein gutes Omen. Das stünde zu hoffen. KS