Man durfte gespannt sein auf die Neueinstudierung einer bereits vor Jahren herausgekommenen Inszenierung von Ruth BERGHAUS. Über die Berghaus ist viel gesagt und geschrieben worden und es wäre müßig, dieses zu wiederholen, außer: Ihre Inszenierungen machen Sinn, mehr noch, sie leuchten die Werke tiefenpsychologisch aus, sind niemals platt und vor allem immer kontrovers diskutiert. So auch "Tristan und Isolde". Was aber bedeutete die "rhythmische Sportgymnastik" des Herrenchores zu Beginn des ersten Aktes? Darstellung männlicher Potenz in Form von Liegestützen? Verdeutlichung eines Beschützerinstinktes für zwei (hilflose?) Frauen auf hoher See? Ich weiß es bis heute nicht - ist aber auch nicht wirklich wichtig, denn der Rest des überaus kurzweiligen Abends war in sich stimmig, so daß dieses kleine Detail nicht weiter ins Gewicht fiel. Die Geschichte ist weitestgehend bekannt, wird aber dennoch von Ruth Berghaus in einem anderen Rahmen erzählt. Nichts zu sehen von einer Burg Karneol, keine Küste Cornwalls und vor allem kein Schiff in der herkömmlichen Form. Nein, ganz im Gegenteil, im kältesten und unwirtlichsten Raum spielt ihre Deutung, nämlich im All.

Deshalb sieht man auch im ersten Akt Teile eines Raumschiffes auf der Bühne, allerdings auch einen angedeuteten Schiffsbug mit Reling - aber eben nicht auf dem Meer, sondern ein "Schiff im Raum". Sternenhimmel und ein den Bühnenhintergrund dominierender Mond runden das Bild ab. Der Mond ist bekanntlich das Symbol für die Liebe, die es in dieser "Welt" in dieser Form nicht geben kann. Es ist fast wie die Geschichte der zwei Königskinder, die zueinander nicht kommen können...

Im zweiten Akt wird die Bühne von einer riesigen Turbine ausgefüllt, deren sich gegenläufig bewegende Flügel Tristan und Isolde dazu dienen, sich im Laufe des wunderschönen Liebesduettes manchmal anzunähern (sie liegen auf den Flügeln), sich aber nie ganz zu erreichen, um sich dann aber nur um so weiter wieder voneinander zu entfernen. Im Verlauf des Abends wird der Mond im Hintergrund immer größer, das heißt, auch die Liebe zwischen Tristan und Isolde intensiviert sich - ist aber trotz alledem aussichtslos.

Im dritten Akt wiederum sitzt Tristan während des Fieberwahns in einem kleinen Boot, das, als er sich ein letztes Mal Isolde nähert, hinter ihm aufgestellt wird und plötzlich erkennt man das sich nahende, tragische Ende der Geschichte, denn das Boot hat die Form eines Sarges - einer der berührendsten Eindrücke des Abends! Der darauf folgende Liebestod Isoldes hätte ein ebensolcher werden können, zumal die darstellerischen Aspekte durchaus gegeben waren, denn langsam senkte sich der Vorhang, davor der Mond und Isolde umarmt während ihres Abschieds von Tristan den Mond als Verdeutlichung einer unerfüllten Liebe - ein wunderbares Bild!

Wäre der gesangliche Teil des Abends ebenso hervorragend gewesen, hätte es ein wirklich glanzvolles Erlebnis werden können. Aber leider war dem nicht so! Erwähnens- wenn auch nicht lobenswert das Debüt von Eva MARTON als Isolde. Man war gespannt und wurde bitter enttäuscht! Daß diese Partie größte Herausforderungen an jede Sängerin stellt, ist unbestritten und zumindest konditionell hielt Eva Marton durch. Richard Wagner hat über seine Ideal-Isolde einmal gesagt: "Ich brauche für die Isolde keine Heroine, sondern ein zartes, unschuldiges Mädchen".

Eva Marton war zu keiner Zeit an diesem Abend in der Lage, dies auch nur ansatzweise zu verkörpern, sondern brachte mit der Isolde eine Furie par excellence auf die Bühne, die glaubte, selbst den stellenweise lyrischen und verinnerlicht zu singenden Liebestod wie Salomes Schlußgesang präsentieren zu müssen. Deshalb war auch das Publikum keineswegs von ihrem Vortrag begeistert und bereits zum Ende des ersten Aktes wurde dies mit lautstarken Buhs quittiert. Eva Marton ist nunmal die ungarische Heroine, der "Paprika und Pußta" in der Stimme liegen und es war mehr als deutlich zu hören, daß dieses Debüt einige Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte zu spät kommt. Man hätte an diesem Abend, wäre der gesungene Text ausgetauscht worden, durchaus eine Turandot, Santuzza oder sogar eine "Götterdämmerung"-Brünnhilde hören und sehen können.

Ähnlich indifferentes ist von Ronald HAMILTON als Tristan zu vermelden, blieb er doch den ganzen Abend blaß in der Stimme, klang nicht immer intonationsrein, mit deutlichem Kraftaufwand gestemmte Spitzentöne gerieten zum "Va Banque"-Spiel und man fragte sich ständig, wann die Ankündigung einer Indisposition zu erwarten ist. Kurzum - er wurde von Frau Marton mit Brachialgewalt an die Wand gesungen!

Bernd WEIKL als Kurwenal war stellenweise überhaupt nicht zu hören angesichts der stimmlichen ungarischen Allgewalt, blieb aber auch darstellerisch leider völlig hinter den gewohnt guten Leistungen zurück. Einzig Julia JUON als Brangäne war es überlassen, sowohl stimmlich mit wunderbarem Fundament und Durchschlagskraft, als auch darstellerisch in jeder Hinsicht zu überzeugen. Ihr wurde an diesem Abend verdientermaßen die einhellige Begeisterung des Publikums zuteil.

Der König Marke wurde in dieser Produktion äußerst überzeugend und stimmlich profund von dem verdienten Hamburger Kammersänger Harald STAMM glaubwürdig verkörpert. Über seine volltönende Baßstimme läßt sich sagen, daß sie auch nach Jahren der Tätigkeit als Sänger nichts von ihrem Volumen eingebüßt hat und man sich heute schon auf seinen Pimen im neuen Hamburger "Boris Godunow" freuen kann.

Alles in allem ein Abend, der, wäre er von der Leitung der Hamburgischen Staatsoper intelligenter hinsichtlich der Sängerauswahl geplant worden, ein wirkliches Highlight hätte werden können, aber - Besser spät als nie! Ralf-Michael Ziebold