"UN BALLO IN MASCHERA" - 10. Oktober 2002

Große Namen sind selten zu finden im Spielplan der Hamburgischen Staatsoper, doch genau die waren für die erste Serie von "Un Ballo in Maschera" angekündigt: Ramon Vargas als Schwedenkönig, doch es kam alles anders, außerdem sollte Giorgio Zancanaro noch einmal zwei Vorstellungen als Renato übernehmen. Dazu später mehr.

Alexander SCHULINs Produktion von vorletzter Saison wurde vermutlich etwas überarbeitet, was ihr gut tat. Gustavo fummelt nun nicht mehr so aufdringlich an Oscar herum und versperrt nicht mehr die Sicht auf Amelia und Ulrica während ihrem Duett. Zum Brüllen komisch ist nun der Tanz der Verschwörer. Dennoch ist die Inszenierung alles andere als gelungen. Immer noch frage ich mich, was die Balken in der Richtplatzszene zu bedeuten haben. Jedenfalls darf Amelia wohl nicht den Fußboden berühren. Gustavos Thron ist ein billiger Stuhl an einem königlich-schlicht gehaltenen Tapeziertisch, an dem er mit seinem eher durchschnittlichen, glanzlosen Mantel, der sich im übrigen mit dem schwarzen Umhang, den er von Oscar bekommt, beißt (Kostüme: Moidele BICKEL). Sein Schreibtisch dient, in duplizierter Form, der Zauberin zu ihren Riten. Sehr prachtvoll und festlich wirkt es auch, wenn die Gäste fröhlich ihren Spaß besingen und steif rumstehen. Richard PEDUZZI fand ein schönes, nahezu aristokratisches Grau für die mobilen Wände.

Alberto CUPIDO, der sich am 10. am Gustavo verging, scheint sein Studium genau an der Stelle abgebrochen zu haben, an der man das Piano lernt, bzw. daß es noch andere dynamische Mittel als fortissimo gibt. Die meisten hohen Töne werden angeschliffen. Für Sänger wie ihn würde ich vorschlagen, ein extra Stimmfach einzuführen: den Brüller.

Sein Gegner war Giorgio ZANCANARO, der Cupido darstellerisch und interpretatorisch eine Lehrstunde erteilte. Über seinen Gesang möchte ich an dieser Stelle diskret den Schleier des Schweigens hüllen.

Lado ATANELI war da am 17. von einem ganz anderen Kaliber. Mit einem schönen, vollen Verdi-Bariton sang er ein tolles "Eri tu", mit einem herrlich phrasiertem "O dolcezze perdute". Ansonsten kam es mir manchmal vor, als würde er sich zu sehr auf sein Instrument verlassen, ein wenig seine Routine abspulen, was möglicherweise an der Inszenierung lag.

Die Amelia war Iano TAMAR, die die Premierenserie schwangerschaftsbedingt absagte. Sie setzte ihre ganze Palette an vokalen Farben ein und brachte die Figur der unschuldig für schuldig erklärten Gattin glaubhaft und intensiv auf die Bühne. In der zweiten Vorstellung hatte ich zunächst das Gefühl einer minimalen Indisposition, aber das gab sich mit der Zeit.

Eugenie GRUNEWALD sang sich souverän durch die Rolle der Ulrica. Leider hat sie das, was viele ihrer Rollenkolleginnen vorweisen: einen Bruch zwischen der unteren und der mittleren Lage. Auch wunderte ich mich (in der ersten Aufführung mehr als in der zweiten), wie viele Register eine Stimme doch haben kann. Zudem fehlt ihrem vollen Mezzo etwas das dämonische Element.

Inga KALNA brillierte in der kleinen Partie des Oscar. Die Koloraturen und Triller bereiteten ihrer kleinen, aber feinen Stimme keinerlei Probleme, mehr jedoch die hohen Töne, die teils scharf klangen.

Kommen wir nun aber zum angekündigten Höhepunkt des Abends, ja ich würde sagen der Saison: zum Auftritt von Ramon Vargas! Der fand nicht statt, weil er "kurzfristig", sprich 2 1/2 Wochen vorher, aus "persönlichen Gründen" (Zitat offizielle Pressemitteilung), die wohl eher temporär waren, weil er drei Tage später diese Rolle in München sang, absagte.

Einen wirklichen Ersatz gab es nicht. Dafür hatte ich das extrem zweifelhafte Vergnügen, Stephen O'MARA zu erleben, der den Gustavo schon letzte Saison hier sang. Er orientierte sich in seiner Darstellung doch sehr an der historischen Figur. Erhielt er nach seiner Kavatine in der Ulrica-Szene keinen Applaus, kassierte er nach der Arie im dritten Akt sogar Buh-Rufe, denn was da aus seiner Kehle drang, ist eher ein Fall für einen Mediziner als für ein Opernhaus. Selten hört man solche kehligen Laute, was sich im piano noch potenzierte, und seine Interpretation unweigerlich ins weinerliche verlagerte. Da halfen ihm auch keine bewußt länger gehaltenen Töne im Anschluß, die eher hilflos wirkten. Im übrigen sollte ihm mal jemand erklären, daß er am Schluß stirbt, damit er nicht wie ein Betrunkener in der Gegend umherirrt. Sicherlich sind einige Mißfallensbekundungen auch gegen die Intendanz gerichtet, aber wenn in Hamburg ein Sänger ausgebuht wird, muß er schon sehr schlecht sein. Jedenfalls habe ich mich sehr amüsiert...

Moritz GOGG als Christiano ließ einen netten Bariton vernehmen, Alexander TSYMBALYUK (Horn) bewies, daß man auch als Nebenrolle, eine Nebenrolle (Andreas HÖRL, Ribbing) gegen die Wand singen kann. Dirk SCHMITZ als Richter ist unter "ferner liefen" einzuordnen, ebenso wie Jürgen OHNEISER und Joo-Hyun LIM, die sich den Diener teilten.

Stefan SOLTESZ ließ das PHILHARMONISCHE STAATSORCHESTER HAMBURG lauter richtige, häufig zu laute Töne spielen, was zur Folge hatte, daß Kalna nicht immer zu hören war. Er kratzte aber nur routiniert an der Oberfläche des Werks. Florian CSIZMADIA hat als neuer Chorleiter bis jetzt noch keine Wunder vollbracht. Im CHOR wurde ebenfalls Routine abgespult.
Wolfgang Schmoller