"IL BARBIERE DI SIVIGLIA" - 28. November 2002

Es war einer dieser Abende, die in Hamburg inzwischen leider Seltenheitswert errungen haben; eine Repertoirevorstellung mit gut aufeinanderabgestimmten Ensemble ohne Ausfälle.

Die nunmehr fast sechsundzwanzig Jahre alte Produktion von Gilbert DEFLO in der Ausstattung von Ezio FRIGERIO ist unverwüstlich und macht es den Sängern leicht, sich frei zu entfalten, da niemandem irgendwelche Mätzchen abverlangt werden. Es hängt vom Temperament der Sänger ab, ob ein Abend ein Erfolg wird, und an diesem Abend wurde es einer. Es stand ein verhältnismäßig junges Ensemble auf der Bühne, das sich durch besondere Spielfreudigkeit auszeichnete.

Als Figaro war das neue Ensemblemitglied George PETEAN zu hören. Er hat eine Baritonstimme, die schon über das Rossini-Fach hinausweist, besitzt aber noch die notwendige Geläufigkeit für die Partie. In der Höhe waren einige ganz leicht angestrengte Töne zu hören; diese taten dem positiven Eindruck keinen Abbruch, der Sänger sollte dies aber im Auge behalten. Yvi JÄNICKE (Rosina) wird häufig in mittleren Rollen eingesetzt. Hier konnte sie beweisen, daß sie damit unter Wert verkauft wird. Ihr Mezzo ist klar, dabei aber immer noch warm und der Rolle absolut gewachsen. Bei den Höhen könnte etwas mehr Selbstvertrauen nicht schaden, denn sie sind ja da. Besonders im Zusammenspiel mit Figaro war sie sehr lebendig.

Almaviva Bruce FOWLER nennt einen sehr angenehm timbrierten Tenor sein Eigen, den er geschickt einsetzt. Liegt ihm eine Passage nicht perfekt in der Stimme, kann er dies sehr gut kaschieren. Sehr amüsant war er in der Musikstunde mit Brille und einem leichten S-Fehler. Renato GIROLAMI (als Bartolo in Maske und Haltung, die ihn doppelt so alt, wie er sein dürfte erscheinen ließen) bot eine Lehrstunde im parlando. Mit tatkräftiger Unterstützung des Dirigenten dürfte seine Arie die schnellste gewesen sein, die ich je live gehört habe.

Paata BURCHULADZE (Basilio) hat für mich in der Vergangenheit häufig das Problem gehabt, daß er seine Riesenröhre nicht dazu bringen konnte, auf Linie zu singen. An diesem Abend gelang es ihm jedoch. Auch fügte er sich nahtlos in das restliche Ensemble ein, ohne es zu dominieren, und bot eine köstliche Studie des geldgierigen Musiklehrers. Als Fiorillo und Berta ergänzten Moritz GOGG und Katja PIEWECK mit klaren, frischen Stimmen. Einzig der Offizier von Harro BRODERSEN klang ausgesungen.

Im Graben jagte Alessandro DE MARCHI durch die Partitur mit teilweise halsbrecherischen Tempi - aber sowohl Sänger als auch das ORCHESTER waren durch die Bank in der Lage, dieses Höllentempo mitzugehen, ohne daß es zu Koordinationsproblemen kam. Das machte den Abend auch musikalisch sehr spannend, da es nochmals verdeutlichte, daß die Ereignisse ja innerhalb kürzester Zeit vonstatten gehen.. Zudem leistete sich das Orchester keinerlei Verspieler, sondern wirkte hochkonzentriert, und auch der CHOR erledigte seine nicht allzu große Aufgabe anständig. MK