„ELEKTRA“ - 8. Juni 2003

Fast 30 Jahre hat die Inszenierung der Elektra von August EVERDING nun auf dem Buckel, was man ihr auch anmerkt. Sie wirkt teils doch sehr abgegriffen. Zwar machen die Protagonisten alles, was sie sollen, aber sieht das eher uninspiriert aus. Ich finde auch, daß das Bühnenbild und die Kostüme (Andreas MAJEWSKI) zu alt wirken. Ich fühlte mich eher in die Steinzeit zurückversetzt, als in die griechische Mythologie. Nichtsdestotrotz stellt der Palast von Mykene ein sehr monströses und imposantes Bühnenbauwerk dar. Weshalb zu Beginn ein roter Teppich ausgerollt ist, ist mir schleierhaft, zumal er zu keinem Eingang o.ä. führt.

Bei der Besetzung stachen v.a. die weiblichen Protagonisten äußerst positiv heraus. Allen voran Gabriele SCHNAUT (Elektra), die ein ungemein differenziertes Rollenporträt ablieferte. Die Souveränität, mit der sie diese extrem anstrengende Partie angeht, ist beachtlich. Schnaut hat nicht die typischen Merkmale einer Hochdramatischen wie z.B. schrille Höhe oder eine tremolierende Stimme. Trotzdem merkte man gegen Ende, daß einige hohe Töne von einem Oktavvorschlag begleitet waren. Darstellerisch hätte ich mir gewünscht, daß sie die Ekstase glaubwürdiger herüberbringt, insbesondere bei ihrem Tanz. Dennoch war es eine tolle Leistung, die das Publikum bei ihrem ersten Solovorhang zu wahren Jubelstürmen hinriss.

Ihr ebenbürtig war Inga NIELSEN, die mit der Chrysothemis wieder ihr vertraute Regionen beschritt, nachdem sie sich hier ja zuvor als Butterfly und Tosca versuchte. Sie brachte den Zwiespalt ihrer Rolle jederzeit über die Bühne und zeigte einmal mehr, daß sie eine nahezu ideale Stimme für Richard Strauss hat. Ich finde es schade, daß sie nicht die Elsa in der Wiederaufnahme des „Lohengrin“ in der nächsten Spielzeit übernehmen wird!

Auch Hanna SCHWARZ vermochte zu begeistern. Sie zählt zu der aussterbenden Gattung von Sängerinnen, die man getrost als Altistinnen bezeichnen kann. Ihre Tiefe klingt einfach klasse! Dazu kommt, daß ihre Stimme eine dämonische Ausstrahlung hat, die ihr eine ausgefeilte Interpretation ermöglicht.

An Franz GRUNDHEBER stören mich zwei Sachen: seine für dieses Fach in meinen Augen zu obertonreiche Stimme und sein für meine Verhältnisse zu direkter Vortrag. Das fiel jedoch bei seinem Orest weniger ins Gewicht. Chris MERRITT (Aegisth) präsentiert nur noch die kümmerlichen Überreste einer Stimme. Kaum zu glauben, daß der mal im Rossini-Fach erfolgreich war...

Unter den Mägden ließ Yvi JÄNICKE (2. Magd) einmal mehr aufhorchen (Man wartet gespannt auf größere Rollen!). Die anderen waren mit Susanne SOMMER, Antigone PAPOULKAS, Frédérique FRIESS und Adriane QUEIROZ homogen besetzt. Die Aufseherin übernahm Katja PIEWECK. Michael SMALLWOODs junger Diener war sehr flott und rhythmisch perfekt, während Jörn SCHÜMANN (alter Diener) und Andreas HÖRL (Pfleger des Orest) eher langweilten. Gisela WEINTRITT (Vertraute) und Beate SKIBA (Schleppträgerin) ergänzten.

Shao-Chia LÜ absolvierte sein Hausdebüt vielversprechend und ohne Fehl und Tadel. Er leitete das PHILHARMONISCHE STAATSORCHESTER mit sicherer Hand und Gespür für die Musik. Sehr gut gefiel mir die drohende Auftrittsmusik des Orest. Der CHOR (Tilman MICHAEL) brachte seinen kurzen Part solide über die Bühne. Wolfgang Schmoller