„IL TROVATORE “ - 16. April 2003

Im alten Ägypten galt es als schlimmste Strafe überhaupt, den Namen einer Person auszulöschen. Genau dieses ist es, was der Regisseur des neuen Hamburger „Trovatore“ verdient. Für so viel verbreitete Langeweile gepaart mit einem hohen Maß an Unmusikalität ist jede Namensnennung zu viel verlangt. Zudem ist bereits in der achten Vorstellung der Produktion wenig von der stilisierten Personenregie übrig gewesen. Man hätte auch die 1997 zuletzt gegebene Nichtinszenierung aus den siebziger Jahren spielen können.

An meiner Schule gab es einen Lehrer, der bei Klausuren die Anweisung gab: „Laßt genug Rand, damit das Wort ‚Unsinn’ dorthin paßt. Einige sollten mehr Platz lassen für ‚grober Unsinn’.“ Offenbar hat sich Bühnenbildner Alfred PETER dies zu Herzen genommen, denn er hat einen dieser weißen, viereckigen Einheitsbühnenräume geschaffen, auf die drei Stunden zu starren, fürchterlich ermüdet und auf denen viel Platz ist, „Unsinn“ zu schreiben. Übrigens sei der Bühnenbildner gefragt, warum der Bühnenraum unbedingt so gefaßt sein muß, daß man in den oberen Rängen ca. ein Viertel bzw. ein Drittel der Bühne nur so weit einsehen kann, um das Schuhwerk der Sänger zu betrachten.

Die Kostüme von Kathi MAURER fügen sich nahtlos in Nichtregie und ödes Bühnenbild in ihrer Unpraktikabilität. Es läßt sich nicht vermeiden, daß ständig einer der Herren auf den Schleppen der Damen steht, da sich ansonsten die sinnlosen Gänge einfach nicht ausführen lassen.

Zu diesen Nichtleistungen kam auch noch das Dirigat von Michael HOFSTETTER, dem offenbar jeglicher Zugang zu Verdis Musik fehlt. Ich habe lange keinen Dirigenten mehr so schleppen gehört. Langsame Tempi können spannend sein, hier waren sie es keine Sekunde. Es ging sogar so weit, daß die Sänger selbst auf die Tube drückten, um den Fluß der Musik irgendwie aufrecht zu erhalten.

Gesanglich blieb Mikhail DAVIDOFF, der mit seiner wenig dramatischen, technisch überforderten und ohne jedes spezifische Timbre ausgestatteten Stimme, jeder Zoll kein Manrico war, der einzige Wermutstropfen. Zudem hielt er sich als einziger noch sklavisch an die Regie, was die Lächerlichkeit dieser noch besonders herausstellte.

Zejko LUCIC als Luna kann eine große Stimme sein eigen nennen. Was ihm noch fehlt, ist die Fähigkeit, mit diesen Mitteln auch umzugehen, wobei festgestellt werden muß, daß er diesmal, insbesondere im Duett mit Leonora, schon mehr Nuancen einfließen ließ. Auch das Zusammenspiel mit Ferrando (Orlin ANASTASSOW) wirkte schon besser. Letzterer hat die Rolle nunmehr perfekt in der Kehle, singt mit individuellem Timbre und guter Phrasierung und läßt sich auch nicht durch sein albernes Kostüm irritieren.

Trotz dieser Leistungen war es der Abend der Damen, die beide, wenn auch längerfristig, eingesprungen waren. Für Elisabetta Fiorillo stand Ildiko SZÖNYI als Azucena auf der Bühne. Die Stimme ist in der oberen Lage von überraschend heller Klangfarbe, was jedoch nichts daran ändert, daß auch die tieferen Partien der Rolle mühelos erreicht werden. Die Sängerin würde es auch ohne Racheengelkostümierung schaffen, einen solchen darzustellen und sie bewahrt sowohl stimmlich als auch darstellerisch Würde selbst in den Momenten, wo Manrico regiekonform versucht, Libretto und Musik der Lächerlichkeit preiszugeben.

Für Norma Fantini kehrte Olga ROMANKO, hochklassige Leonora schon der alten Inszenierung, nach Hamburg zurück und ließ die Frage offen, weswegen sie eigentlich ansonsten kaum mehr an diesen Haus singt. Eine so ebenmäßige, warm timbrierte Stimme, die jederzeit weiß, was sie singt, die gestaltet, die weder bei Koloraturen, noch dramatischen Ausbrüchen an ihre Grenzen stößt, sollte doch eigentlich gerade im Verdi-Fach einen festen Platz einnehmen. Wir wollen mehr von ihr hören!

Maite BEAUMONT (Ines) und Dirk SCHMITZ (Ruiz) sangen kleine Rollen auf hohem Niveau, während die vom Regisseur hinzuerfundene, von Bernd BRÜNING verkörperte Figur *** (heißt laut Programmheft wirklich so) hoffentlich bald Sparmaßnahmen zum Opfer fällt.

Das PHILHARMONISCHE STAATSORCHESTER spielten fast fehlerfrei und hätten sicherlich mit einem Dirigenten, dem Verdi näher ist als Hofstetter, eine noch bessere Leistung erbracht. Der CHOR konnte nicht ganz mit der Leistung der ersten Vorstellungen mithalten, war aber immer noch sehr anhörbar (wenn auch das Schlagen der Ambosse, wie schon früher, nicht ganz den Vorgaben in den Noten entsprach). MK