„DON CARLOS“ - 21. Dezember 2003

„Bitte bewahren Sie [...] dem Ernst des Geschehens angemessene Ruhe im Zuschauerraum“. Man hätte den Satz, der auf dem Flyer zu lesen war, den man in der ersten Pause des zwei Jahre alten Hamburger „Don Carlos“ (erstmals gibt es die komplette Version ohne Striche zu sehen) erhielt, nicht fett genug schreiben können. Im nachfolgenden Autodafé, das von zwei Pausen eingerahmt war, war der Lärm im Auditorium unerträglich. Da wurde sich in normaler Sprechlautstärke unterhalten, als würde man zu Hause vor dem Fernseher sitzen. Aus dem Rang schrie ein Italiener „Viva Verdi“ und beschimpfte den Dirigenten vor Beginn des 4. Aktes, selbigen vergewaltigt zu haben – meinte er nicht vielleicht eher Peter KONWITSCHNY???

Dieser nämlich zeichnet für das Geschehen verantwortlich. Bekanntlicherweise hat er einen Faible dafür, die Konventionen zu sprengen. Ließ er im „Freischütz“ während der Pause eine Uhr ticken, inszeniert er diese nun als Spektakel, das Autodafé wird zum Pausenfüller. Das wäre ja alles zu verkraften, wenn man wie erwähnt ein Publikum hat, das auch mal RUHE geben kann, wenn die Musik spielt - und wenn der Rest der Regie stimmig gewesen wäre. Aber davon kann kaum die Rede sein.

Nach seiner Sicht ist Carlos, der Infant von Spanien, eine Art pubertär-infantiles Kleinkind, was auf die Dauer doch arg nervt und der Rolle nach meinem Dafürhalten nicht gerecht wird. Ansonsten herrscht Langeweile in dem überwiegend schmutzig-weißen Bühnenraum von Johannes LEIACKER, der auch die Kostüme passend zur Zeit entwarf. Ein weiteres Ärgernis ist das Intermezzo „Ebolis Traum“, das vom Ballett begleitet wird und musikalisch nicht so recht zum Werk passen will. Es spielt in einem biederen Raum, wo Eboli, die nun Gemahlin von Carlos ist, auf ihre Gäste (Philippe und Elisabeth) wartet. Das ganze wird zur möchtegern-lustigen Slapstickfarce, die jedoch weiten Teilen des Publikums gefiel. Naja, jedem das Seine... Meines Erachtens ist das Konwitschnys bisher schlechteste Arbeit an diesem Haus.

Michail SCHELOMIANSKI sang wie bereits vor einem Jahr den König Philippe II. Gegenüber der Premierenbesetzung Robert Hale liegt ihm die Partie besser in der Stimme. Sein Vortrag blieb jedoch weitgehend solide, ihm fehlte die Intensität, um die Rolle auszufüllen.

Jean-Pierre FURLAN sang die Titelfigur. Er verfügt über eine Stimme, die in der Forte-Höhe wirklich sehr toll klingt, jedoch wird sie im piano schnell brüchig. Auch er konnte nicht wirklich überzeugen, lieferte aber ebenfalls eine akzeptable Leistung ab.

Danielle HALBWACHS übernahm wie in der Premiere die Elisabeth de Valois. Ihre Stimme ist vielleicht ein ganz klein wenig zu hart, dennoch sang sie sehr gut, obwohl sie mir persönlich nicht stark genug war. Sie hätte ein wenig mehr aus sich herausgehen sollen. Das war absolut kein Problem für Nadja MICHAEL, die eine sehr sehr, (fast schon zu) böse Eboli präsentierte, jedoch gerne mal die Kontrolle über ihre große Stimme verlor, die ich eher dem Wagner-Fach zurechnen würde und bei Verdi m.E. fehlplatziert ist.

Sehr gut hingegen gefiel mir der Rest der Besetzung. George PETEAN ist ein sehr guter Posa, der mit imposanten Spitzentönen sowie mit einem ausgefeilten Rollenportrait aufwarten kann. Er spielte zudem sehr engagiert. Ich hätte mir allerdings seinen Tod etwas differenzierter gewünscht. Die Entwicklung, die dieser Sänger nimmt ist äußerst erfreulich, und ich hätte ihm eine solche Leistung nach einem höchst mittelmäßigem Belcore vor anderthalb Jahren bei seinem Hamburg-Debüt (damals noch als Gast) nicht zugetraut.

Simon YANG ist ein intensiv singender Großinquisitor, der weniger böse denn nüchtern ist, aber gerade dadurch gewinnt die Rolle auch ein gewisses Profil. Ein hervorragender Mönch ist der Hamburger Debütant Balint SZABO, der der kurzen Partie seinen kraftvollen, edel timbrierten Prachtbaß leiht. Ich würde ihn sehr gerne mal als Philippe hören!

Maite BEAUMONT sang mit leuchtendem Mezzo einen quirligen und engagierten Thibault, Julia SUKMANOVA absolvierte ihren Part (himmlische Stimme) sehr gut, ebenso wie Michael SMALLWOOD als Lerme/Herold.

Es scheint mir, als könne GMD Ingo METZMACHER mit dem Werk nicht viel anfangen. Seine Spezialität sind eher die modernen Werke und Wagner, bei denen er es immer wieder schafft, die Ecken und Kanten zu entfernen, was hier jedoch eher hinderlich war. So geriet z.B. der orchestrale Part des Schleierliedes alles andere als temperamentvoll. Immerhin hielt er die Fäden souverän in der Hand, und das ORCHESTER spielte fehlerfrei. Der CHOR unter Florian CSIZMADIA lieferte eine sehr gute Leistung ab. WFS