„IL TROVATORE “ - 23. März 2003

Es gibt Abende, an denen frage ich mich wirklich, was mich an der Kunstform der Oper überhaupt interessiert. Solch einer war die neuste Produktion des „Il Trovatore“. Ich habe prinzipiell nichts gegen moderne Regie, aber das, was man dort zu sehen bekam, kann man getrost als Müll abstempeln. Das Publikum wurde regelrecht veräppelt. Die Regie macht die ganze Musik zunichte, reißt die Stretta des Manrico auseinander, hat ellenlange Umbaupausen, wobei sich auf der sterilen Bühne nicht viel verändert. Leonora liegt meistens zum (für die ganz dummen stets von einem Kleinwüchsigen (Bernd BRÜNING) angekündigten) Szenenbeginn vorne auf der Bühne herum, verwandelt sich (sehr zum Amüsement des Publikums) in einen Engel.

Ansonsten ist die Regie von einer nervenden Statik geprägt. Einziges Requisit ist eine Kindesstatuette auf einem Podest in der Bühnenmitte, die insgesamt zwei Mal zerdeppert wird. Einzige Aussage des Stücks ist die, daß Manrico Leonora gar nicht wirklich liebt. Warum auch immer. Leider finde sich im Programmheft auch keine Erläuterungen zur Inszenierung, sondern der Text zur alten Produktion von 1976, so daß sich mir der Sinn dieser regelrechten Personenentstellungen nicht erschließt. Es war bisher meine schlimmste Regie, die ich sah. Ich möchte mich an dieser Stelle meinem „Merker“-Kollegen Erich Karlsson anschließen, und die Namen der für diesen Schund verantwortlichen Personen nicht erwähnen, es würde sie zu sehr freuen. Mich wird diese Produktion so schnell nicht wieder sehen, und ich hoffe, daß auch anderem dem folgen werden, denn nur durch Ignorieren kann man solchem Herr werden.

Leider konnte die musikalische Seite nicht viel retten. Mikhail DAVIDOFFs Manrico bot eine stimmlich solide Leistung, wenngleich man ein wenig den Charaktertenor hörte, mit einigen recht guten piani, blieb aber sonst bieder. Seine Stretta erhielt Anstandsapplaus. Nur sollte er vielleicht noch eine Stunde Luftgitarrenunterricht nehmen, was ihm in der Romanze zugute käme.

Seine Leonora war Ines SALAZAR. Sie sang viele piani, für meine Verhältnisse zu viele, was ihre Figur irgendwie etwas weinerlich dastehen ließ. Leider ist ihr kaum schauspielerisches Geschick zuzuschreiben, so tapperte sie in der Szene, in der sie als Engel verrückt werden sollte, hilflos auf der Bühne herum. Nach ihrer Arie im vierten Akt rührte sich keine Hand.

Zeljko LUCIC (Luna) verfügt über eine schöne Stimme und eine prachtvolle Höhe, womit dann aber auch schon alles gesagt wäre.

Lediglich Yvonne NAEF als Azucena vermochte echt zu fesseln. Sie stellte wirklich eine leidende, aber auch feurige Zigeunerin auf die Bühne, die die schwierigen Registerübergänge makellos bewältigte. Leichte Probleme im „Stride la vampa“ seien ihr verziehen. Dennoch ist mir ihre Stimme eine Spur zu hart für Verdi.

Orlin ANASTASSOWs Ferrando ließ etwas aufhorchen. Da steckt bestimmt noch mehr drin (das berühmte Premierensyndrom?). Dirk SCHMITZ als Ruiz, Antigone PAPOULKAS (Ines) und Christian BODENBURG als Zigeuner ergänzten solide.

Das Dirigat von Michael HOFSTETTER, der eher der alten Musik verbunden ist, versprühte wenig Italianità. Wann hört man das „Di quella pira“ so unkämpferisch? Bei dem heiklen Ensemble des zweiten Aktes hatte er größte Mühe, alle wieder einzufangen. Sonst aber hielt er alle stets zusammen, allerdings ohne sonderliche Inspiration. Nach einem fulminanten Beginn verfiel der Chor (Florian CSIZMADIA) manchmal in die alte schlampige Gewohnheit, zu singen, wann man meint, daß es richtig sein könnte.

Am Ende gab es einhellige Buhrufe für das Regieteam, was dieses sichtlich genoß, einige nicht ganz unberechtigte Mißfallensbekundungen gegen Davidoff, sonst viel Applaus für den Rest. Ich persönlich habe mich selten in einer Aufführung so gelangweilt und wäre es nicht mein erster „Trovatore“ gewesen, ich wäre in der Pause gegangen.
Wolfgang Schmoller