„Die schöne Galathée“ / „La scala di seta“ - 2. Januar 2004

Die Hochschule für Musik und Theater zeigte zur Jahreswende zwei Diplominszenierungen, die unterschiedlicher nicht hätten sein können.

Vor der Pause stand Franz von Suppés „schöne Galathée“ auf dem Programm. Das Programmheft wies hier deutlich auf die Verwandtschaft zu Offenbach hin, wovon man leider auf der Bühne herzlich wenig erlebte. Der Inszenierung von Sandra M. HEINZELMANN fehlte der Schwung, der für derartige Stücke einfach unumgänglich ist. Die Dialoge klangen aufgesagt, und nur wenige Gags konnten tatsächlich zünden. Zum Teil mag dies auch an dem kühlen Bühnenbild (Anderz ENERBÄCK) sowie den sehr skurrilen Kostümen (Tanja BOLDUAN) gelegen haben, die irgendwie keine rechte Stimmung aufkommen lassen wollten.

Musikalisch konnte auch Boris BRINKMANN am Pult der AURORA PLAYERS nicht wirklich das Tempo verbreiten, was man so sehr vermißte. Aus dem Graben zog sich das Stück ebenfalls sehr, wobei vor allem bei den Bläsern einiges an Tönen daneben ging.

Gesanglich ist Benjamin BRUNS als (ungünstig kostümierter) Pygmalion mit schön timbriertem, sicherem Tenor als erster zu nennen. Ganymed Helena KÖHNE wurde als indisponiert angesagt, was man jedoch nur an wenigen Stellen hören konnte. Sie stellte als einzige einen wirklichen Charakter auf die Bühne, und wußte hörbar, was sie sang.

Weniger beeindrucken konnten Jutta SPIEGELBERG als Galathée, die insbesondere in den Höhen noch sehr begrenzt war und der wenig durchschlagskräftige Andreas D. PREUß (Mydas).

Welch ein Unterschied nach der Pause mit Rossinis farsa „La scala di seta“! Anne Catrin CARSTENS gab hier eine eindrucksvolle Probe ihres Talentes ab. Sie ließ das Stück als Kartenspiel ablaufen, mit Giulia und Lucilla als Herz- bzw. Kreuzdame, Dorvil und Blansac als Herz- bzw. Pikbube, Dormont als Karokönig und Germano als Joker. Ein überdimensioniertes Kartenspiel dient als Versteck, die Seidenleiter ist aus Spielkartensymbolen, und auch die Personenregie ist überaus einfallsreich. Hier hat Bühnenbildner Anderz Enerbäck sich wesentlich mehr austoben können als in der „Galathée“. Die Kostüme von Britta GROß haben Pfiff und erfreuen mit vielen Details.

Auch musikalisch geht der Sieg eindeutig an das Team nach der Pause. Diesmal stand Sebastian KENNERKNECHT am Pult der Aurora Players, die wie ausgewechselt erschienen. Das Dirigat hatte Brio und arbeitete differenziert die Eigenheiten der Partitur heraus.

Absoluter Star des Abends war Tatjana CHARALGINA als Giulia. Sie sang lupenrein mit nicht allzugroßem, aber exzellent beherrschtem Sopran, spielte sehr engagiert und war dazu auch noch schön anzusehen. Ihr eine Karriere vorauszusagen, bedarf keiner prophetischen Gabe. Ihr nahe kam Jan Friedrich EGGERS als Blansac. Das Stimmaterial ist nicht wirklich außergewöhnlich, aber der Sänger machte viel daraus. Er bot eine umwerfend komische Studie des eitlen Erorberers, der mit allem flirtet, was einen Rock trägt, aber irgendwo tief im Inneren doch noch so etwas wie echtes Gefühl bewahrt hat. Die „La ci darem“-Einlage war sehr gelungen.

Als indisponiert angesagt waren Dorvil Marc HAAG und Germano Martin BERNER. Während sich eine Rezension bei ersterem verbietet und nur festzustellen ist, daß er darstellerisch sehr engagiert war, konnte man bei letzterem nur geringe Spuren der Indisposition bei den Übergängen feststellen. Berner ließ eine angenehme Stimme hören, wobei er darstellerisch an einigen Stellen dem Affen zuviel Zucker gab.

Wiebke HUHS’ (Lucilla) Stimme wirkte an einigen Stellen zu wenig geschmeidig für Rossini; ihre Meriten dürften in anderen Fächer zu suchen sein. André BRENDEMÜHL (Dormont) ergänzte unauffällig. MK