Der Meistersacher und der Meisterschmidt von Hamburg

Vor anderthalb Jahren hatte die schockierend nicht schockierende Produktion von Wagners „Meistersingern“ eines der sprechenden Pseudonyme von Regietheaterhassern für „Hassobjekt“, Peter KONWITSCHNY, Premiere. Es erstaunt tatsächlich, daß er das Werk fast gar nicht gegen den Kamm bürstet, sondern eine in erster Linie konventionelle Arbeit abliefert (kleinere bis kleinste Eskapaden mal außen vorgelassen), oder bin ich in der Zwischenzeit so abgestumpft, daß mich gar nichts mehr schockt?

Erst bei der Festwiese merkt man seine „Gesinnung“. Da läßt er nämlich fast alle bekannten Helden – so man sie so bezeichnen mag - Wagners auftreten (Wotan, Siegfried mit Brünnhilde, Tannhäuser, Lohengrin samt Schwan, etc.). Das macht zwar überhaupt keinen Sinn, aber viel Spaß, v.a. wenn er Ulrich Eisslinger während der Chorszenen Siegfried erklären läßt, wie rum er das Blatt zu halten habe, oder selbiger Brünnhilde Gesangsunterricht zu geben scheint. Ansonsten dümpelt das Geschehen so vor sich hin. Es gibt zwar keinen allzu großen Leerlauf, aber gerade in dieser Oper möchte man doch auch mal lachen können, was mir nicht unbedingt geschah. Als äußerst störend empfinde ich nach wie vor die Unterbrechung von Sachs’ Schlußmonolog, von wegen, ob Wolfgang (so der Vorname des Sängers der Rolle) wisse, was er denn da singe und unter den Sängern ein Disput darüber entsteht, der zweifelsohne diskutabel ist, aber m.E. in ein Programmheft oder so gehört und nicht auf die Opernbühne. Johannes LEIACKER entwarf die passenden Kostüme und das spartanische „Theater-auf-dem-Theater“Bühnenbild.

Auch die Sänger konnten nicht so ganz dazu beitragen, daß ich nun den Zugang zum Stück finde. Wolfgang SCHÖNE (Sachs), der aus Stuttgart mit moderner Regie bestens vertraut sein müßte, ist eher der Typ des sympathischen Kammersängers. Er hat zwar genügend Kraftreserven, die heikle Partie bis zum letzten Ton ohne Abstriche zu singen, aber wirklich packen konnte er mich nicht.

Klaus Florian VOGT (Stolzing) ist kein Wagner-Tenor, sondern eher dem Mozart-Fach zuzuordnen und hat somit keinerlei Probleme mit der Höhe. Ihm fehlt für solche Rollen aber das baritonale Fundament, und er könnte ruhig mit etwas stärkerer Attacke singen, ich hatte bei ihm meistens eher das Gefühl, in einem barocken Oratorium zu sitzen. Seine „Phrahasieheruhung“ störte nicht so sehr, weil er insgesamt sehr lyrisch sang und die Aspirierungen nicht allzusehr ins Gewicht fielen. Seine Eva wurde von Danielle HALBWACHS mit minimalem französischen Akzent und aufblühender, leicht dramatischer Stimme sehr schön und innig gesungen. Ihren Vater Veit Pogner sang Harald STAMM mit körnigem, autoritärem Bass.

Die besten Leistungen sind jedoch Andreas SCHMIDT (Beckmesser) und Jürgen SACHER (David) zu attestieren, die beide offenbar viel Spaß mit ihren Rollen hatten. Ersterer präsentierte eine tolle Parodie des Stadtschreibers, die die Figur niemals in Lächerliche reinzog. Stimmlich merkt man noch, daß er nicht ganz auf der Höhe ist (schade...), jedoch hat es sich verglichen mit seinem letzten Wolfram an diesem Haus eindeutig verbessert und seine Stimmkrise weitestgehend im Griff. Sacher hingegen steht mit seinen stimmlichen Mitteln, die in letzter Zeit ziemlich gewachsen zu sein scheinen, voll im Saft, singt einen hervorragenden, mustergültigen Gesellen und spielt mit viel Elan und überbordender Spielfreude.

Unter dem Rest der Meistersinger fiel Jan BUCHWALD durch einen gepflegten Fritz Kothner auf, der allerdings im szenischen Bereich sehr viel zu wünschen übrig läßt. Die anderen wurden von Thorsten SCHARNKE (Kunz Vogelgesang), Moritz GOGG (Konrad Nachtigall), Frieder STRICKER (Balthasar Zorn), Michael SMALLWOOD (Ulrich Eisslinger), Jonas OLOFSSON (Augustin Moser), Michael VIER (Hermann Ortel), Carl SCHULTZ (Hans Schwarz) und Jörn SCHÜMANN (Hans Foltz) adäquat gesungen.

Mit volltönendem Mezzo brachte sich Katja PIEWECK als Magdalena positiv ein. Absolut indiskutabel ist für mich die „Leistung“ von Andreas HÖRL, der mit schlaksigem, lustig sein wollendem, aber nicht seiendem Spiel, (spr)ödem Bass und erheblichen, haarsträubenden Mängeln in der Intonation hochgradig negativ auffiel. Da mußte man ja um jeden Ton bangen...

Am Pult der Hamburger Philharmoniker waltete der designierte Ex-GMD Ingo METZMACHER (übernächste Saison wird ihn Simone Young beerben – man darf gespannt sein), der mit seinem gut disponierten ORCHESTER die Sänger sehr detailliert, differenziert und einfühlsam begleitete. Kleinere Patzer im Blech (v.a. bei der Bühnenmusik zu Beginn der Festwiese) seien nur der Vollständigkeit halber erwähnt und schmälerten die hohe orchestrale Qualität eigentlich gar nicht. Der CHOR unter Florian CSIZMADIA war im ersten Akt erfreulich homogen, fiel allerdings gegen Ende ein wenig ab, was vielleicht auch an der Unterstützung des Sonderchores im 3. Akt gelegen haben mag.

Ich frage mich allerdings, weshalb man für die Meistersingerbagage Gäste engagieren muss (Scharnke, Vier). Ich denke, daß man auch ruhig Choristen (oder Studenten) mit derartigen Partien betrauen könnte, wenn man im Ensemble sonst niemanden dafür findet. WFS