„IL TURCO IN ITALIA" - 27. März 2005

Diese Produktion ist zweifellos die beste einer italienischen Oper der gesamten Amtszeit Metzmacher. Nach solchen grandiosen Flops wie „Macbeth“, „Lucia di Lammermoor“, „La Bohème“, „Forza del destino“, „Trovatore“, „Don Carlos“, "Nabucco" und „Ballo in maschera“ (wobei letzteres inzwischen im Repertoirebetrieb wenigstens nicht mehr ärgerlich ist) ist das allerdings ein zweifelhaftes Kompliment, auch wenn sich Rossinis Dramma buffo durchaus sehen kann.

Das Bühnenbild und die Kostüme (Herbert MURAUER) sind nicht übermäßig auffällig, aber passend; sie fügen sich gut in die Handlung. Die Regie von Christof LOY hat einige hübsche Ideen: Selim kommt mit einem fliegenden Teppich und wird von einem schwarz gekleideten Leibwächter begleitet (sehr präsent und extrem cool: Apostolos DULAKIS), Prosdocimo hat durch Prügel oder Unfälle bei jedem seiner Auftritte eine neue Blessur, zur Annäherung von Fiorilla und Selim gibt die Espressomaschine ihren Kommentar, und zu guter Letzt sieht man Selim und Zaida einerseits und Fiorilla und Geronio andererseits in ihren Wohnzimmer sitzen, wo sie um Fernsehprogramm und Fernbedienung streiten. Narciso ist gesetzt geworden, und zwischen Albazar und dem Leibwächter scheint sich etwas anzubahnen.

Dazwischen gibt es jedoch auch Szenen, die mehr Tempo hätten vertragen können. Insbesondere die Maskenballszene wirkte ein wenig verschenkt, hier hätte man das komödiantische Potential der Sänger sicherlich noch mehr nutzen können. Auf das, in der Ball- und den Strandszenen vorhandene, in Zeitlupe abspielende Hintergrundgeschehen hätte man auch verzichten können, es war weder komisch, noch erhellend.

Von den Sängern her war der Abend vor allem als Ensembleleistung überraschend erfreulich, was die Papierform bei einigen Namen nicht unbedingt erwarten ließ.

Yolanda AUYANET, für Inga Kalna eingesprungen, traf darstellerisch und musikalisch den Ton der kapriziösen Fiorilla genau und erfreute mit klarem Sopran, sauberen Koloraturen und viel Sex-Appeal. Zaida (Tamara GURA) stand ihr sängerisch in nichts nach und war im Bauchtanzkostüm wie im Babydoll reizend anzusehen. Sollte hier allerdings einmal eine Sängerin die Partie übernehmen, die nicht über Frau Guras zierliche Figur verfügt, hoffe ich, daß sich die Kostümwerkstätten etwas einfallen lassen.

In der Titelrolle war Balint SZABO zu hören. Er singt die Rolle sauber, hat alle Töne und spielt überaus engagiert. Was (noch) fehlt ist die Ausstrahlung, die Frauen sofort nervös machen kann, und die Fähigkeit, dies auch mit der Stimme zu vermitteln. Renato GIROLAMI (Geronio) kann eines der schnellsten parlando sein eigen nennen. Er differenziert wunderbar, gelegentlich hört man, daß die Stimme durchaus großes Volumen hat, und ihm gelingt es, aus dem gehörnten Ehemann keinen Volltrottel zu machen.

Die Überraschung für mich war der (einspringende und als krank angesagte) Jan BUCHWALD als Prosdocimo. Ich konnte bisher diesem Sänger nicht viel abgewinnen, doch zumindest für diese Rolle muß ich mein Urteil revidieren. Mit viel Verständnis für den Rossini-Stil und einer ungeahnten darstellerischen Agilität läßt er einen gut geführten, warmen Bariton hören. Eine sehr erfreuliche Entwicklung.

Narciso David ALEGRET spielte einen italienischen Jung-Macho, wie man ihn auf jeder Piazza zu Hunderten treffen kann mit enger Jeans, Sonnenbrille und Gel im Haar. Der junge Sänger hat sicherlich weder das aufregendste Timbre, noch die brillanteste Höhe, aber er macht mit seinen geschmackvoll eingesetzten Mitteln das beste aus der Rolle. Als Albazar ergänzte Jonas OLOFSSON und klang besser als bei den vorherigen Begegnungen.

Wenig glücklich werden konnte man allerdings mit dem Dirigat von Michael HOFSTETTER, der schon im „Trovatore“ durch merkwürdige Tempi negativ aufgefallen war. Diesmal dirigierte er eine arg zerdehnte Ouvertüre – und daß es in der Sängerbegleitung dann auch nur gelegentlich flotter zuging, möchte man eher den Sängern anrechnen. Es ist nicht nachvollziehbar, wie jemand Rossini derartig temperamentlos dirigieren kann.

Das PHILHARMONISCHE STAATSORCHESTER hätte zumindest bei den Bläsern vielleicht besser ebenfalls als indisponiert angesagt werden müssen; so viele Patzer und Unsauberkeiten (in der dritten Vorstellung einer Premierenserie!) dürfen einfach nicht passieren. Der CHOR (Leitung Tilman MICHAEL) war mehrfach dabei, auseinander zu fallen, und klang, mit der lobenden Ausnahme in den Einsätzen in Fiorillas großer Soloszene, generell sehr unsicher. MK