"TRISTAN UND ISOLDE" - 27. November 2005

17 Jahre ist er alt, der Hamburger "Tristan", für dessen Produktion die umstrittene Ruth BERGHAUS verantwortlich zeichnete. Auch nach dem 6. Mal habe ich nicht wirklich verstanden, was die Regisseurin damit aussagen möchte. Sie siedelt das Geschehen in einer tristen, überwiegend grauen Weltraum-Einöde an. Das Bühnenbild entwarf Hans-Dieter SCHAAL, die ebenfalls nicht sehr farbenfrohen Kostüme und Requisiten Marie-Luise STRANDT. Der 1. Aufzug spielt auf einem Raumschiff, auf dem zahlreiche Statisten unter Liegestühlen liegen und ab und an sich erheben. Der zweite spielt vermutlich im Motorraum des Schiffes. Passend in Bezug auf die Grundstimmung finde ich das 3. Bild, wo ein Mond auf den Planeten (oder das Raumschiff?) gestürzt zu sein scheint und alles in Trümmern liegt. Von der Personenführung her ist es eine solide Produktion, in der, wie in vielen, die Liebenden nicht unbedingt so gezeigt werden, wie man sich solche vorstellt, sondern sehr distanziert. Alles in allem stört mich die Inszenierung aber nicht.

Von der sängerischen Seite gibt es, wie bereits so oft in dieser Spielzeit, fast keine Ausfälle zu verzeichnen. Bedauerlicherweise bezieht sich dieses "fast" auf die Hälfte der Protagonisten...

Wenn John TRELEAVEN (Tristan) mich in den leisen und lyrischen Passagen so überhaupt nicht berühren konnte, ja, nahezu langweilte, metzelte er in den (zahlreichen) dramatischen Ausbrüchen die Partie grobschlächtig nieder. Er klang eher nach einem schlechten Mime oder Herodes. Da konnte auch die zugegebenermaßen anständige Phrasierung nichts mehr ändern. Ich hatte mehr den Eindruck, daß er die Rolle aufs Durchkommen anlegte. Dabei möchte man eigentlich annehmen, daß er, der sich ja in letzter Zeit auf gerade diese schwer(st)en Partien spezialisiert und kaum anderes singt, über mehr Erfahrung und Durchhaltevermögen verfügen sollte.

Mit Wolfgang KOCH stand ein vielversprechender Nachwuchs-Heldenbariton als Kurwenal auf der Bühne, der nach solidem Beginn sich im dritten Akt steigern konnte und gerade in den auftrumpfenden Phrasen mit toller Höhe aufwartete. Die leiseren, ruhigeren Passagen sind seine Sache noch nicht so ganz, aber ich bin recht zuversichtlich, daß das mit der Zeit auch noch kommen wird.

Harald STAMM konnte einmal mehr demonstrieren, was er für eine prachtvolle Stimme hat und was für ein genialer und versierter Wagner-Interpret er doch ist. Er bot eine phantastische Charakterstudie des Königs Marke, die stets zwischen engster Freundschaft, Verständnis und Enttäuschung gegenüber Tristan schwankte.

Ihr Hamburg-Debüt gab Bernadette CULLEN (Brangäne), die eine in erster Linie solide Leistung bot, welche mich aber nicht unbedingt zu begeistern vermochte. Peter GALLIARD war ein souveräner Melot. Die kleinen Tenor-Rollen waren mit Jürgen SACHER (Hirt) und Benjamin HULETT als äußerst stimmschönem Seemann glänzend besetzt. Einen positiven Eindruck hinterließ Wilhelm SCHWINGHAMMER als Steuermann.

Und dann war da noch die Isolde von Elizabeth CONNELL, die m. E. viel zu wenig im Bewußtsein der Opernszene ist und schon gar zu selten in Hamburg singt, was diese Aufführung unter Beweis stellte. Connell singt (!) diese wahnsinnig anspruchsvolle Partie nicht nur ohne nennenswerte Probleme, sondern gibt ihr ein schlüssiges und ergreifendes Profil. Bei dem höchst intensiven Liebestod, wagte vermutlich kaum einer Luft zu holen (außer denen, die meinten reden zu müssen...).

In seiner Wirkung verstärkt wurde gerade dieses Stück von dem sensiblen Dirigat von Simone YOUNG, die bereits beim Beschreiten des Podiums zum 3. Aufzug mit Jubel bedacht wurde und am Ende der Vorstellung, sichtlich mitgenommen, aber glücklich, die brandenden Ovationen dankbar und vollkommen verdient entgegennahm. Eine der wesentlichen Eigenschaften von Young ist, daß sie es schafft, in sämtlichen Tempi den großartig spielenden HAMBURGER PHILHARMONIKERN ein Höchstmaß an Spannung zu erzeugen und stets den richtigen Ton zu treffen, um die "richtige" Atmosphäre zu kreieren. Selten hört man das Vorspiel dermaßen langsam und doch so spannungsgeladen - selbst die Generalpausen klingen! Den kurzen Einsatz gegen Ende des ersten Aufzugs absolvierte der Haus-CHOR unter Florian CSIZMADIA solide. WFS