"DER FLIEGENDE HOLLÄNDER" - 7. und 14. Januar 2006

Es gibt zwei Dinge, die mich an den Arbeiten von Marco Arturo MARELLI immer wieder auch nach Jahren noch faszinieren: Da ist zum einen die virtuose Behandlung des Lichts, und zum anderen die sehr akkurat zur Musik erfolgenden Aktionen. Es dürfte wenige Regisseure geben, die so genau auf die Musik inszenieren. Marelli, der wie immer auch sein eigener Bühnenbildner ist, hat eine karge Ausstattung geschaffen, in der die Farbe blau vorherrscht. Ob einen nun das Konzept des Holländers mit dem Mutterkomplex überzeugt oder nicht, bleibt jedem selbst überlassen; zumindest ist es nicht derartig aufgepfropft, daß man es nicht auch gut ignorieren könnte.

Der in dieser Produktion tief verletzte und weiterhin verletzbare Holländer, der eigentlich weiß, daß er keine Chance hat, und trotzdem hofft, wird mit großer Legatofähigkeit von Lucio GALLO gesungen. Es berühren vor allem die leisen Töne, insbesondere dann, wenn er zu Beginn des Duettes mit Senta die gesamte Passage im ausdrucksstarken piano singt, und man spürt, wie hier das Innerste bloßgelegt wird. Auch die dramatischen Ausbrüche bereiten keine Schwierigkeiten, weder in der Höhe, noch in der Tiefe gibt es Grenzen, ohne daß Gallo auch nur in die Gefahr gerät, forcieren zu müssen. Zu recht erhielt der Bariton den heftigsten Applaus.

Leider ist Inga NIELSENs Senta in keiner Weise auf nur annährend diesem Niveau. Die Sängerin, die hier in zahlreichen Rollen begeistern konnte, ist weder stimmlich noch darstellerisch dieser Partie gewachsen. Vom Spiel her bleibt sie allgemein, man nimmt ihr einfach nicht ab, daß sie sich in eine Legende verliebt haben könnte. Ein Eingehen auf die Partner findet auch nicht statt. Leider schwankt die stimmliche Leistung zwischen gefährdet und desolat. Da sind etliche Spitzentöne, die scharf, schneidend und intonationsunsicher herausgeschleudert werden, sowie Passagen, wo die Stimme einfach rauh und unschön klingt. Man hört die Überforderung gleichermaßen in lyrischen und dramatischen Momenten, was alarmiert.

Den Daland teilten sich die für Kurt Moll eingesprungenen Hans-Peter KÖNIG (7.) und Harald STAMM (14.), die beide stimmlich glänzten und dabei zwei völlig auch gesanglich unterschiedliche Interpretationen auf die Bühne stellten. König war eher der hemdsärmelige, polternde Schiffskapitän, der irgendwo sicherlich noch einen guten Kern in sich hat, während Stamm einen kühl kalkulierenden Geschäftsmann darstellte, der Tochter und Reichtümer gegeneinander abwägt und dann entscheidet. Es dürfte allerdings wenig Sänger geben, die mit mehr Autorität eine Chorreihe abschreiten, als es Harald Stamm tut.

Donald KAASCH wirkt äußerlich nicht wie ein draufgängerischer Jäger, doch gehörte er zu den wenigen sehr guten Eriks, die mir bisher begegnet sind. Die Stimme ist klar, aber trotzdem mit einem individuellen Timbre ausgestattet, und sowohl dramatischen Ausbrüchen, als auch träumerischem Piani gewachsen. Gefährdete Töne, wie man sie bei vielen Eriks hört, waren hier nicht vorhanden.

Von den kleinen Rollen war Deborah HUMBLE als Mary ein echter Gewinn, die ihre Figur sehr aufwertete und im zweiten Aufzug, ohne sich aufzudrängen, Senta die Show stahl. Ho-yoon CHUNG hatte als Steuermann die Unart, die Töne der oberen Lage aufzureißen und nicht in die Gesangslinie einzubinden. Zudem zeigte er keine Ansätze, den vom Regisseur sehr gut sorgfältig gezeichneten Charakter zu spielen, sondern wirkte, als tue er, was ihm gesagt wurde.

Die Sänger erhielten jede nur mögliche Unterstützung durch Simone YOUNG im Graben. Man sagt ihr häufig nach, sie sei zu laut, eine Behauptung, die ich nicht unterstützen kann. Ich habe selten ein Dirigat gehört, welches so intuitiv auf die Bedürfnisse der Sänger eingeht wie dieses. Aus gelegentlich langsamen Tempi entwickelt sie enorme Spannung, an anderen Stellen drängt sie voran. Das aufgewühlte Innenleben der Figuren findet auch im Orchester statt, ohne daß dieser Part sich in den Vordergrund drängt.

CHOR und ORCHESTER waren in der zweiten Vorstellung deutlich verbessert. Was sich die Bläser (sowohl Holz, als auch Blech) am 7. für Verspieler leisteten, war schon peinlich. Am 14. war es lediglich ein Horn, was penetrant unsauber spielte. Der Chor war am 14. schon sehr viel geschlossener (Leitung: Florian CSIZMADIA), während am 7. da doch einiges auseinanderfiel. MK