"CAVALLERIA RUSTICANA"/"I PAGLIACCI" - 11. März 2006

Im Januar ist sie volljährig geworden, die Produktion von Gian-Carlo DEL MONACOs "Cav/Pag" in Hamburg. Man merkt ihr das Alter aber nicht wirklich an. Sie eröffnet zwar keine neuen oder ungewöhnlichen Perspektiven auf die beiden siamesichen Opern-Zwillinge, aber sie ist sehr schön anzusehen (Bühne/Kostüme: Michael SCOTT), und es passiert eigentlich immer was, so daß man sich niemals langweilt. Etwas schmunzeln musste ich jedoch, als ich vor einiger Zeit mal auf ein Foto von der vorangegangenen Produktion stieß, dessen Bühnenbild diesem doch ziemlich ähnelte.

Wie so oft in dieser Saison waren die gesanglichen Leistungen recht erfreulich, wenngleich die große Sensation ausblieb, aber ich will mich nicht beschweren!

Als Einspringerin für Michele Crider, die schon sehr früh abgesagt hatte, war Giovanna CASSOLLA als Santuzza zu hören. Sie meisterte die Partie mit ihrer großen Stimme im besten Sinne des Wortes souverän, wenn da nur nicht die zahlreichen Schluchzer gewesen wären... Dafür war sie eine gute Darstellerin und das "Bada" gegen Ende des Duetts mit Turiddu ließ einem echt den Atem stocken.

Sein Haus-Debüt absolvierte Carl TANNER als Turiddu (und als Einspringer für Sergej Larin auch als Canio), und er ließ durchaus aufhorchen. Er ließ einen angenehm timbrierten Tenor vernehmen, der lediglich in der Siciliana des Turiddu bei den Verzierungen geringere technische Defizite offenbarte. Allerdings konnte er durch seinen kultivierten und unpathetischen Stil auf sich aufmerksam machen. Wenngleich ich ihn nicht zu meinem engeren Favoritenkreis in dem Bereich zähle, hätte ich nichts dagegen, ihn öfters zu hören. Es wäre jedoch nett, wenn er an kleineren sprachlichen Schwächen (Vokale!) noch arbeiten könnte, denn das Wort "Memme" hat im Deutschen eine andere Bedeutung als "Mamma"...

Der Koreaner Ko Seng HYOUN (Alfio/Tonio) hat mir letztes Mal als Alfio wesentlich besser gefallen. Hier war er eigentlich nur im Dauerforte zu hören. Aber dafür war sein Tonio umso besser. Es ist eine wahre Freude, seinem Prolog zu lauschen, den er wahrhaft auszugestalten weiß (sowohl sängerisch als auch darstellerisch). Schade nur, daß erneut nicht mit dem Applaus gewartet wurde, bis der Prolog tatsächlich zu Ende war, sondern in der Generalpause vor "Il concetto vi disse" dieser kurzerhand für beendet erklärt wurde...

Hellen KWON sang mit ihrer schönen, runden Stimme eine rundum zufriedenstellende Nedda. Ihr Liebhaber Silvio war bei George PETEAN gut aufgehoben, der der Rolle einen guten Schuß Erotik beimischte.

Als dritter Koreaner im Bunde mißfiel H-yoon CHUNG (Peppe/Arlecchino), der sich zu sehr auf seine Stimme verließ und somit zu selbstverliebt sang. Auch die beiden Mezzos in der "Cav" vermochten nicht zu überzeugen. Brenda PATTERSONs Lola fehlte einfach der Sex-Appeal in der Stimme, der einem klar macht, warum sich Turiddu mit ihr einlassen sollte. Wehmütig dachte ich an eine Antigone Papoulkas oder Yvi Jänicke zurück... Olive FREDRICKS lebt, glaube ich, wirklich im Haus der Mamma Lucia und wird daher immer wieder für diese Rolle eingesetzt, da sie sonst ihr Haus nicht zur Verfügung stellen würde und bei einer anderen (vielleicht mal nicht fürchterlich hysterischen) Sängerin die Polizei wegen Hausfriedensbruch alarmieren würde, was solch einer Vorstellung einen gewissen faden Beigeschmack gäbe...

Die guten sängerischen Leistungen wurden jedoch von Simone YOUNG (für den erkrankten Constantinos Carydis) am Pult des großartigen PHILHARMONISCHEN ORCHESTERS HAMBURG überragt, aber nicht in den Schatten gestellt. Dafür ist diese Ausnahmedirigentin viel zu sängerfreundlich. Sie schafft es, irrsinnige und gefährliche Tempo-Wechsel innerhalb von einem Takt durchzuziehen, ohne daß der Klangkörper jemals auseinander zu laufen droht. Young gelingt es einfach immer wieder, exakt die richtige Stimmung zu kreieren und die Musik unter Hochspannung zu setzen, egal wie unkonventionell, ja teils radikal das Tempo auch sein mag - so flammend habe ich die Begleitung zum "Mamma, quel vino è generoso" noch nie gehört! Sehr freundlich finde ich auch immer wieder die Geste, daß sie der Soufleuse/dem Soufleur (hier Petra MAURITZ) beim Schlußapplaus die Hand recht. Der CHOR (Leitung: Florian CSIZMADIA) leistete solide Arbeit. WFS