"IDOMENEO" - 9. September 2006

In nahezu komplett neuer Besetzung präsentierte sich die Produktion des "Idomeneo" aus der letzten Saison, die hier im Rahmen der Hamburger Mozart-Wochen gegeben wurde.

Der Regisseur Nicholas BRIEGER verlegt die Handlung in die heutige Zeit. Sie spielt in einem Kampf zwischen der "zivilisierten" Welt (Kreta) und Terroristen (Troja). Dieses wird sehr konsequent umgesetzt, so ist das Ungeheuer kein real existierendes Unwesen, sondern vielmehr der Krieg beider Parteien, der durch ein Selbstmordattentat entfacht wird. Auch wenn dies alles nicht so recht zu der Musik passen will, gelang Brieger doch eine rundum solide Produktion mit guter Personenführung, wenngleich es doch gerade im ersten Bild einige Merkwürdigkeiten zu sehen gibt (warum kann sich Ilia frei bewegen und singen, ohne vom nächsten Wachmann mit MP im Anschlag erschossen zu werden???). Hans-Dieter SCHAAL entwarf das Bühnenbild, bestehend aus einem schiefen überdimensionalen würfelartigen Gebäude, das von einem Gang umrundet wird, Jorge JARA zeichnet für die angemessenen Kostüme verantwortlich.

Auch musikalisch konnte sich diese Aufführung hören lassen. Marie ARNET sang mit schönem Timbre eine sehr persönlichkeitsstarke Ilia und spielte dazu auch sehr überzeugend. Ihr geliebter Idamante lag bei Nino SURGULADZE (auch wenn der Name anderes vermuten ließe: weiblicher Mezzo...) in sehr soliden Händen. Sie sang und verkörperte glaubwürdig den Thronfolger, der am Ende nicht als strahlender König, sondern sich als angstvoller Mensch an Ilia klammert.

Einen weiteren in höchstem Maße interessanten Tenor (wo kommen die plötzlich alle her???) gab es als Idomeneo zu erleben: Giuseppe FILIANOTI. Er verfügt über einen sehr schönen, schmelzreichen Spinto-Tenor, den man wahnsinnig gerne in einer Verdi-Oper hören will. Dazu kommt eine sehr souveräne Beherrschung der Technik und überhaupt eine alles in allem tolle Interpretation - und die Damen der Schöpfung hatten auch noch was zu schauen...;-) Mehr von ihm, bitte!!!

Die Krone des Abend teilt er sich mit Helen KWON, deren Elettra von Furor nur so schäumt. Sie gibt der Rolle ein zudem differenziertes Profil, sowohl stimmlich als auch darstellerisch. Gerade ihre erste Szene gestaltete sie ungemein imponierend. Diese Partien liegen ihr einfach unheimlich gut in der Kehle. Auf ihr avisiertes Salome-Debüt darf man gespannt sein!

Benjamin HULETT (Arbace) sang seine beiden Arien mit wunderschöner Stimme und ebensolcher Phrasierung. Als Gran Sacerdote di Nettuno ließ Jun-Sang HAN aus dem Opernstudio (und einer Seitenloge) aufhorchen. Mit balsamischer, majestätischer und eindringlich-mysteriöser Stimme verkündete Tigran MARTIROSSIAN als "La Voce" die endgültige Entscheidung über das Schicksal Kretas.

In den ganz kleinen Partien ergänzten Bettina RÖSEL und Daniela KAPPEL (Due Troiane), Seong-Woog CHOI und Milan Mischo KRAVAR (Due Cretesi), sowie Annegret GERSCHLER und Kathrin VON DER CHEVALLERIE (Due Ninfe) das im übrigen sehr homogene Ensemble souverän.

Wie in der Premieren-Serie stand Julia JONES am Pult der gut aufgelegten HAMBURGER PHILHARMONIKER. Ihr gelang insgesamt ein überzeugendes und präzises Dirigat, das viel Gespür für die Musik offenbarte, ohne je zu seicht zu werden, so daß selbst die schon fast barock anmutenden Rezitative erträglich waren. Der CHOR unter Tilmann MICHAEL stand dem in Nichts nach. WFS