"DIE ENTFÜHRUNG AUS DEM SERAIL" - 19. September 2006

Auch nach vielen Jahren und einem halben Dutzend Besuchen hat die Johannes SCHAAF-Produktion ihre guten und ihre schlechten Seiten behalten. Positiv fällt immer noch die genaue Zeichnung der Figuren auf: Pedrillo als Opportunist, der sich den landesüblichen Sitten und Gebräuchen schon sehr angepaßt hat, die ambivalente Beziehung zwischen Konstanze und dem Bassa... Weniger positiv sind dabei die eingeschränkte Spielfläche durch den orangen Quader in der Mitte sowie der überzogene erste Auftritt von Konstanze und Selim mit einem Karussell zu vermerken.

Von dem Geschehen auf der Bühne war es ein fast durchgehen erfreulicher Abend. Hellen KWON hat zwar an ein oder zwei Stellen in den Extremtönen einige technische Schwierigkeiten, aber sie wirft sich mit solcher Vehemenz in die Partie, daß dies nicht weiter ins Gewicht fällt. Ihre Konstanze macht deutlich, daß Belmonte noch gerade rechtzeitig gekommen ist; einige Stunden später, und sie hätte dem Drängen des Bassa nachgegeben - und das nicht ungern. Belmonte ist bei Edgaras MONTVIDAS in exzellenten Händen. Er könnte zwar darstellerisch noch etwas mehr aus sich herauskommen, aber die stimmliche Leistung entschädigt dafür vollends. Einen so mühelos geführten, in jeder Lage gleich gut ansprechenden Tenor, der zudem vom warmen Timbre her der üblichen Mozart-Stimme überlegen ist, hört man nicht alle Tage.

Aleksandra KURZAK sang die Blonde nicht ganz so mühelos, wie dies beispielsweise bei ihrer Regimentstochter oder der "Turco"-Elvira der Fall gewesen ist. Einige nicht perfekt angebundene Töne fielen auf, doch als Figur war sie in jeder Sekunde präsent, der arme Osmin hatte nie eine Chance. Ihr Pedrillo Jürgen SACHER ist bekanntermaßen ein Bewegungstalent und sicherlich der überzeugendste Vertreter der Partie in dieser Produktion, die ich erlebte. Auch musikalisch blieben hier keine Wünsche offen, auffällig gut mischte sich seine Stimme mit der von Montvidas.

Beim Beifall räumte Osmin Peter ROSE erwartungsgemäß am meisten ab, auch wenn für mich durchaus noch die eine oder andere Nuance mehr hätte herausgearbeitet werden können. Stimmlich war er mit seinem gar nicht einmal so fülligen Baß ohne Probleme, weder in den schnellen Passagen, noch in den tiefsten Tiefen. Christoph BANTZER zeigte als Selim eine ausgezeichnete Diktion. Daß er im Zusammenspiel mit Hellen Kwon nicht ganz die Intensität erreichte, wie dies dem verstorbenen Matthias Fuchs gelungen war, sei nur am Rande vermerkt.

Weniger erfreulich als die gesangliche Seite war das, was aus dem Graben zu hören war. Marcus R. BOSCH setzte am Pult der PHILHARMONIKER zu sehr auf die Effekte, die dadurch sehr vordergründig klagen. Irgendwie gelang es ihm nicht, eine wirkliche Verbindung zwischen Bühne und Graben herzustellen. Es gab keine Wackler, und das Orchester spielte ebenso tadellos wie der CHOR sang, aber eine wirkliche Einheit kam nicht zustande. MK

.S. Nach vier Mozart-Wochen muß ich allerdings gestehen, sehne ich mich inzwischen dann doch nach einem anderen Komponisten.