"L'ELISIR D'AMORE" - 9. November 2006

Sensation in Hamburg!!! Nemorino hat nach 27 Jahren, die diese Jean-Pierre PONNELLE-Produktion nunmehr alt ist, ein neues Stoffschaf erhalten. Es hat diesmal vier bewegliche Beine und guckt genauso niedlich wie sein Vorgänger...

Nachdem diese weltbewegende Neuigkeit verbreitet worden ist, kann von einem gut besetzten, musikalisch größtenteils erfreulichen Abend berichtet werden. Die Bühnenbilder von Pet HALMEN gehören noch immer zu den schönsten im gesamten Repertoire, die Regie wirkt auch nach zahllosen Jahren frisch und munter. Auch wenn der Abend nur mäßig besucht war, bleibt diese Repertoire-Perle hoffentlich noch lange erhalten.

Wie schon in der letzten Serie der Produktion gebührt die Krone des Abends dem Nemorino von Saimur PIRGU, der wiederum mit wunderschönen Phrasen, zahlreichen spontan wirkenden Einfällen (beispielsweise sein entsetzt-faszinierter Laut, als Adina davon singt, er solle sich anderen Frauen zuwenden), gut gestützten, herzerweichenden Piani und natürlichem Spiel dieser Partie vollauf gerecht wurde. "Una furtiva lagrima" erntete, trotz des nicht sehr gefüllten Hauses, Beifallsstürme, die man selten hört. Diesmal sind auch keine Abzüge in der B-Note wegen Schafvernachlässigung zu machen.

Seine Adina wurde von Inga KALNA verkörpert. Die Höhe, die in anderen Partien gelegentlich etwas spitz klingt, ist hier schön rund, die Koloraturen kommen mit traumwandlerischer Sicherheit, auch wenn sich ein oder zwei kleine Unsicherheiten in der Phrasierung einschlichen. Für meinen Geschmack ist diese Adina allerdings ein wenig zu zickig, zu biestig, zu berechnend, so daß man sich fragt, wieso Nemorino eigentlich so verrückt nach ihr ist.

Dulcamara gilt als Paraderolle für ältere Bässe, deren stimmliche Mittel im Schwinden begriffen sind. Tigran MATIROSSIAN ist ein junger Baß, der vermutlich den Höhepunkt seiner stimmlichen Entwicklung noch nicht erreicht haben dürfte. Die Stimme ist eigentlich zu schwer für die Partie, doch es gelingt dem Sänger mit Intelligenz, und ohne zu mogeln, die Rolle auszusingen. Er dürfte damit der stimmschönste Dulcamara meiner Opernbesuche sein. Seine Jugendlichkeit fügt dem Spiel noch eine weitere glaubhafte Nuance hinzu; Adina hat so nämlich drei ernstzunehmende Bewerber.

Jan BUCHWALD kann mich in vielen seiner Partien nicht begeistern. Überraschenderweise gefällt er mir immer dann, wenn er im italienischen Fach komisch sein darf. So auch hier. Sein Belcore ist bis in die letzte Haarwurzel ein eitler Kerl ohne jede Reflexion. Die Phrasierung ist exzellent, im Parlando könnte man meinen, einen Muttersprachler vor sich zu haben. Stimmlich bereitet ihm die Partie keinerlei Schwierigkeiten.

Agnieszka TOMASZEWSKA war wiederum eine Luxusbesetzung für die Gianetta, koloratursicher, spielfreudig und der Aufwertung der Rolle in dieser Inszenierung jederzeit gewachsen. Der CHOR, der hier immer auf seinem höchsten Niveau agiert, tat es auch an diesem Abend.

Karen KAMENSEK am Dirigentenpult schien im ersten Akt unsicher zu sein. Neben zahlreichen Verspielern der PHILHARMONIKER HAMBURG in der Ouvertüre, die nicht auf ihr Konto gehen, wackelte es in den Ensembles mehrere Male heftig, für Sekunden schien ein Auseinanderfallen nicht mehr zu vermeiden. Nach der Pause besserte sich dieses deutlich. Die flotten Tempi, die die Dirigentin bevorzugte, bekamen dem Stück nicht schlecht. MK