"BILLY BUDD" - 31. März 2007

Nachdem im letzten Jahr der Hamburger Britten-Zyklus mit einer sehr schön poetisch-atmosphärischen und komischen Inszenierung vom "Midsummer Night's Dream" eröffnet wurde, brachte das gleiche Team in dieser Spielzeit nach nun mehr als 30 Jahren wieder "Billy Budd" auf die Bühne - die erste Oper, in der es nur männliche Rollen gibt.

In der Inszenierung gab es ziemlich viele Zitate aus der erwähnten vorangegangenen Produktion. So wird auf den Vorhang zu Beginn der Vorstellung und nach den Pausen auch wieder ein Auge gezeigt und auf der Bühne (Es DEVLIN) befinden sich unglaublich viele Möbel, die je nach Bedarf hoch- und runtergelassen werden. Sie sollen als Symbol für Unruhe und Chaos dienen, und dem ganzen einen maritimen Touch verleihen - beides will mir nicht recht in den Kopf gehen. Der Regisseur Simon PHILLIPS hat sich m.E. zu sehr in der Idee verrannt, daß es im Stück um Chaos geht. Das kann ich so nicht ohne Weiteres erkennen. Man hätte sich vielleicht mehr auf die Brutalität konzentrieren sollen, die der Regie nach der ersten Szene irgendwie komplett abging. Zumindest hat sie sich mir nicht vermittelt, wobei das für mich der zentrale Aspekt des Werkes zu sein scheint.

Außerdem hätte ich mir gewünscht, zu erfahren, wer denn nun letztendlich das Todesurteil vollstreckt hat, wo Billy doch, nachdem er seinen Widersacher erschlagen hatte, nur noch Freunde hat. Dafür gefiel mir die Figur des Captain Vere ziemlich gut, der immer außen vor war und nicht wirklich zu der Besatzung zu gehören schien, so daß die narrative Art, in die das Stück ja ohnehin eingepackt ist, erhalten blieb. Es Devlin gestaltete neben der Bühne auch die Kostüme, die doch gut zu dem Metier paßten.

Bevor ich im Detail auf die Besetzung eingehe, möchte ich dem Dispositionsbüro ein Lob aussprechen, dem es gelungen ist, alle Charaktere äußerst typgerecht zu besetzen!

So war Billy Budd in Person des panamaischen Baritons Nmon FORD ein Bild von einem Mann, der so aussah, als wäre er mal Mitglied bei den "California Dream Men" gewesen. Auch wenn er nicht unbedingt über das allerschönste Instrument verfügt, wußte er dieses doch durch ein engagiertes und glaubhaftes Spiel und eine recht anständige Interpretation gut zu kompensieren. Ich muß allerdings zugeben, daß es schon etwas seltsam anmutet, wenn ein farbiger Sänger ein "Farewell, 'Rights o' Man'" ("Leb' wohl, 'Menschenrechte'") entbietet. So heißt im Übrigen das Schiff, von dem er zur "Indomitable", dem Schauplatz der Oper, rekrutiert wird.

Sein Gegner John Claggart wurde von Peter ROSE verkörpert, der eine insgesamt grundsolide Leistung ablieferte, die mich aber nicht wirklich erreicht hat und mir auch nicht weiter in Erinnerung blieb. Ähnliches gilt für Timothy ROBINSON (Captain Vere), der die nicht ganz leichte Partie mit Anstand bewältigte.

Conal COAD (Dansker) gefiel mir besser als als "Barbiere"-Basilio, aber mir fehlte bei ihm auch das gewisse Etwas. Jürgen SACHER verstand es glänzend, die Rolle des zur Intrige bestochenen/gezwungenen Squeak mit wahrer Meisterschaft auszufüllen. Die Partie schien ihm wie auf den Leib geschneidert zu sein!

Unter den Nebenrollen ragten insbesondere Pavel BARANSKY als toller Mr. Flint, Benjamin HULETT als schönstimmiger Novice und Alexander TSYMBALUYK (First Mate/Novice's Friend) äußerst positiv hervor, der mal wieder seinen Rang als Ausnahmebaß unterstrich und der auch einen interessanten Claggart hätte abgeben können. Sehr interessant klang erneut Jun-Sang HAN als Maintop, bei dem ich mich frage, ob er auch so toll singt, wenn er normal auf der Bühne steht (im "Idomeneo" sang er aus einer Loge, hier auf einem Stuhl, der etwa vier Meter über der Bühne schwebte).

Während Carsten WITTMOSER (Ratcliffe), Moritz GOGG (Redburn), George PETEAN (Donald), Ryszard KALUS (Bosun), Hee-Saup YOON (Second Mate) und Steven Dorn GIFFORD (Arthur Jones) entweder für mich nicht zu identifizieren waren oder nicht weiter auffielen, mißfiel mir Peter GALLIARD als "Red Whiskers" einmal mehr, wenngleich ich schon Schlimmeres von ihm gehört habe.

Auch wenn Simone YOUNG am Pult der HAMBURGER PHILHARMONIKER wieder stimmungsvoll, sängerfreundlich und sehr sicher leitete und sich auch nicht davor scheute, plötzlich einen schneidenden Akkord reinzuhauen, vermochte sie es nicht so recht, ihre Begeisterung für Britten auf mich zu übertragen. Das soll ihre Leistung aber nicht schmälern. Man kann ja auch nicht jeden Komponisten mögen... CHOR und EXTRA-CHOR des Hauses (Florian CSIZMADIA) sangen ohne Fehl und Tadel, und die HAMBURGER ALSTERSPATZEN (Jürgen LUHN) sind für mich immer noch der beste Kinderchor, den ich je gehört habe. WFS