"BILLY BUDD" - 12./19. September 2007

Hätte mir jemand vor sechs Monaten prophezeit, daß ich mich förmlich in eine Britten-Oper verknallen würde, wäre die Reaktion ein ungläubiges Lachen gewesen. Nun, es ist geschehen, das Stück hat mich gepackt.

Nach wie vor ist das Bühnenbild von Es DEVLIN mit den herunterhängenden Möbeln mehr als gewöhnungsbedürftig. Der Sinn geht mir noch immer ab, und unwillkürlich denke ich jedes Mal, ob hier jemand die dritte und vierte Silbe von "Indomitable" etwas zu wörtlich genommen haben mag. Doch die Personenregie von Simon PHILIPPS reißt das alles hinaus, man ist schon nach wenigen Augenblicken im Geschehen gefangen.

Bis auf einige Ausnahmen ist die Besetzung seit der Premiere identisch geblieben. Nmon FORD wiederholte seinen gesanglich, darstellerisch und physisch hoch attraktiven Billy, der nicht nur auf dem Schiff, sondern auch im Zuschauerraum so ziemlich jeden bezaubert haben dürfte. Die Stimme hat, gerade in der oberen Lage und den leiseren Tönen an Geschmeidigkeit noch gewonnen.

Timothy ROBINSON als Captain Vere hat nicht wirklich eine schöne Stimme, und gelegentlich wird diese in den oberen Lagen etwas knapp. Doch er weiß damit umzugehen, wandelt dies in puren Ausdruck um. Als Figur ist er sowieso von einer Intensität, die einen packt und bis zum Schluß nicht mehr losläßt.

John Claggart Peter ROSE lebt die schleimige Unterwürfigkeit gegenüber den Offizieren noch mehr aus als in der Premierenserie. Auch in seinem großen Ausbruch wirkt er noch überzeugender, noch furchteinflößender. Er hat noch eine weitere Nuance hinzugefügt, so daß man sich des Gefühls nicht entwehren kann, daß er nicht nur Billy begehrt, sondern sich auch an Squeak (Jürgen SACHER als beängstigend echte, gequälte Kreatur) und dem Novice (Benjamin HULETT, der in dieser Rolle schwerlich zu übertreffen sein dürfte mit seinem lyrischen Tenor und der großen Präsenz) vergreift.

Bei den Offizieren ist Jan BUCHWALD als Mr. Flint neu, der zwar einwandfrei singt, allerdings ausgesprochen unmilitärisch wirkt, hinzu kommen Carsten WITTMOSER als sonorer Lt. Ratcliffe und das hohe Niveau nicht ganz haltend Moritz GOGG (Mr. Redburn). Die beiden Mates werden exzellent gesungen von Hee-Saup YOON und Alexander TSYMBALYUK; letzterer macht zudem alles auf dem Novice's friend mit herzzerreißendem Mitgefühl für den Ausgepeitschten.

Conal COAD ist als Dansker als ruhiger Pol mit mürrischem Gehabe stimmlich und darstellerisch goldrichtig, Toby STAFFORD-ALLEN als neubesetzter Donald paßt sich gut ein. Red Whiskers gehört zu den wenigen Rollen, in denen Peter GALLIARD mir zu gefallen weiß, dazu kommt Jun-Sang HAN als in jeder Beziehung höhensicherer Maintop (er singt hauptsächlich mehrere Meter über der Bühnen schwebend). Ryszard KALUS (Bosun), Steven Dorn GIFFORD (Arthur Jones) und Christoph RAUSCH (Sailor) ergänzten, während Alexander zu KLAMPEN als eifriger Cabin Boy nicht nur seinem Captain ans Herz wuchs.

Simone YOUNG am Pult der PHILHARMONIKER HAMBURG wiederholte ihre großartige Leistung aus der Premierenserie. Immer nimmt sie Rücksicht auf die Bedürfnisse der Sänger, wird niemals zu laut oder in den Tempi nicht nachvollziehbar. Sie baut eine fast unerträgliche Spannung auf, die sich am Ende gar nicht anders als in einen Bravo-Orkan entladen kann. Das Orchester folgt ihr dabei bedingungslos.

Der CHOR unter der Leitung von Florian CSIZDADIA und die HAMBURGER ALSTERSPATZEN unter Jürgen LUHN leisten ebenso Großes. MK