"LES CONTES D'HOFFMANN" - 24. Oktober 2007

Was wollte Christine MIELITZ uns mit der Regie sagen? Auch mehrere Tage nach der Vorstellung weiß ich dies schlichtweg nicht. Es gab durchaus gelungene Momente, doch die waren rar, dazu diverse Albernheiten, insbesondere im Olympia-Akt, wo diese als Monroe-Kopie, Spalanzani als Einstein und Cochenille als Michael Jackson herumliefen, doch so etwas wie ein Konzept suchte man vergeblich. Es erschloß sich mir zu keinem Zeitpunkt, ob nun Hoffmann eigentlich, wie dies im Antonia-Akt angedeutet war, sein Schicksal quasi herbeischreibt, oder ziellos durch die Handlung treibt, wie dies Olympia- und Giulietta-Akt zeigten. Es schien zwar, als wäre es der Regisseurin gelungen, den Sängern, die sich durchweg durch große Spielfreude auszeichneten, ihr Konzept deutlich zu machen, nur leider gelang es ihr nicht, dies auch dem Zuschauer zu vermitteln. Zudem schien ihr, je länger der Abend andauerte (und das war lange, da die Kaye-Keck-Neuedition plus der populären Stücke, die nicht von Offenbach sind, gespielt wurde), die Puste auszugehen.

Das Bühnenbild (Hartmut SCHÖRGHOFER) war praktikabel, wenn auch der sich drehende, nach einer Seite offene Riesenwürfel in den drei Mittelakten irgendwie wenig zum Stück beitrug und der Effekt mit dem Gazezwischenvorhang sich relativ schnell erschöpfte. Die Kostüme von Renate SCHMITZER gingen in Ordnung, wenn man von den rosenlastigen Mänteln und Westen der Herren Miracle und Crespel im Antonia-Akt absieht.

Musikalisch war das Niveau dafür durchweg erfreulich. Giuseppe FILIANOTI war in der Titelrolle vom Timbre, der Phrasierung und den sicheren, fast ohne Anstrengung gesetzten Spitzentönen, nahezu ideal. Er versteht es, die Stimme einfach fließen zu lassen. Dazu kam eine darstellerisch hochmotivierte Leistung, eines praktisch den ganzen Abend unter Hochspannung stehenden Dichters, dem erst am Schluß etwas Ruhe gegönnt wird. Sogar im Antonia-Akt, wo die Regisseurin den Titelhelden irgendwie zeitweilig vergessen zu haben schien, war er in jeder Sekunde "da".

Die Bösewichter wurden von Kyle KETELSEN verkörpert, der mit nicht riesiger, jedoch gut sitzender Stimme, vielen Nuancen und sehr lebendigem Spiel jeder der vier Figuren auch unterschiedliche Charaktere zu geben in der Lage war. Selbst das alberne Miracle-Kostüm konnte ihn seiner Wirkung nicht dauerhaft berauben. Alle vier Frauenrollen wurden von Elena MOSUC verkörpert, die als Olympia gut sitzende Koloraturen hören ließ und alles aus der Monroe-Kopie machte, und als Antonia ihre Stimme weit strömen ließ. Die Giulietta schien ihr hingegen zu tief zu liegen, doch auch das ging ohne Unfall ab. Es ist beeindruckend, daß sie alle Rollen gesanglich zwischen sehr gut und rollendeckend bewältigte.

Auch Nino SURGULADZE als Muse/Nicklausse machte ihre Sache gut, schaffte darstellerisch den ständigen Wechsel zwischen Muse und Nicklausse plausibel zu machen. Sie stieß auch an keine technischen Schwierigkeiten, allerdings machte sich gelegentlich ein Flackern der Stimme bemerkbar, was nicht zum Dauerzustand werden sollte. In den Dienerrollen vollführte Benjamin HULETT all die Albernheiten, die ihm die Regie zumutete, sorgfältig, zeichnete sich vor allem bei seiner Frantz-Arie in Damenunterwäsche durch sportliche Fähigkeiten aus und sang wie immer auf hohem Niveau.

In den kleineren Rollen hatte sich Hamburg nicht lumpen lassen und fuhr ihre erste Garde auf. Allen voran wieder einmal Alexander TSYMBALYUK als szenenbeherrschenden Schlèmil, der übrigens entgegen dem Libretto deutlich sichtbar einen Schatten hatte, dazu Tigran MARTIROSSIAN (Luther/Crespel), der unangefochten über seine alberne Weste hinwegsang und ohne weiteres mit den Hauptpartien mithielt, sowie Deborah HUMBLE als luxusbesetzte Mutter. Hinzu kamen aus dem Opernstudio Dominik KÖNINGER (Hermann) und Jun-Sang HAN (Wilhelm), die beide aufhorchen ließen, sowie die Ensemblestütze Frieder STRICKER (Nathanaël/Spalanzani), der immer für einen Lacher gut ist.

Emmanuel PLASSON leitete die HAMBURGER PHILHARMONIKER sehr solide, mit guter Übersicht und der Fähigkeit, an den zwei Stellen, an denen Bühne und Graben auseinander zu driften schienen, beides schnellstmöglich wieder einzufangen. Große Akzente konnte ich allerdings nicht entdecken. Dafür nahm er ausreichend Rücksicht auf die Sänger, die teilweise (Antonia-Akt!) akustisch nicht gerade günstig plaziert worden waren.

Der CHOR unter Florian CSIZMADIA hingegen war in exzellenter Verfassung und bot, unbehelligt von der wenig überzeugenden Chorregie, eine zumindest stimmlich erfreuliche Leistung. MK