"DIE WALKÜRE" - 5. April 2009

Kein Premierenstreß samt "doppeltem Wotan", und auch die Umbesetzung fand so rechtzeitig statt, daß ausreichend geprobt werden konnte - hervorragende Voraussetzungen für eine "normale" Aufführung also, ganz im Gegensatz zur Premiere im Herbst, die aufgrund des stimmlichen Ausfalls von Falk STRUCKMANN (der nur spielte und von Thomas J. Mayer von der Seitenbühne akustisch hatte gedoubelt werden müssen) eigentlich nur bedingt beurteilt werden konnte.

Szenisch war Struckmann auch ohne Ton damals die stärkste Persönlichkeit gewesen, um so mehr war er es jetzt; mit enormem Volumen und ebensolchem Einsatz, exzellenter Diktion und wohldurchdachter Phrasierung gab er einen zu Beginn von sich selbst und seinem Tun höchst überzeugten Chef von einiger Arroganz, ein "Macher" in Walhall (politische Assoziationen zu noch lebenden Personen sind rein zufällig und ungewollt…), dem sein Werk unter der Realität zerbricht, weil es auf Selbstbetrug aufgebaut ist - auch das ja durchaus aktuell. Daß ihm beim mitunter schonungslosen Umgang mit der Stimme am Ende auch ein paar Höhen wegbrachen, war eher ein Schönheitsfehler am Rande, da er sich bewundernswert fing und selbst nach zwei schweren "Krachern" im ersten Teil von Wotans Abschied noch zu einem schönen Piano für "Der Augen strahlendes Paar" fähig war.

Erfreulicherweise konnte Fricka ihm diesmal Paroli bieten. Lilli PAASIKIVI besaß nicht nur doppelt soviel Stimme, sondern auch doppelt soviel Persönlichkeit wie ihre Vorgängerin, so daß klar wurde, warum die Sache ausgeht wie sie ausgeht.

Als Brünnhilde hatte man anstelle der absagenden Luana DeVol Catherine FOSTER geholt, die den "Ring" bisher an ihrem Stammhaus in Weimar gesungen hatte. Eine schöne Stimme mit leuchtender Höhe, die zwar lyrisch klingt, aber einiges an Durchschlagskraft zu bieten hat. Tiefe und Mittellage sind besonders im Piano noch ein bißchen kleinformatig für ein wirklich großes Haus. Da sie hier aber nicht künstlich zu vergrößern sucht, sondern ganz auf Linie und Stimmsitz singt, könnte sich das durchaus ändern. Man sollte die Dame jedenfalls im Auge behalten.

Begonnen hatte der Abend etwas zähflüssig, was zum einen mit Simone YOUNG zu tun hatte, die nach einem fulminanten Sturm fast den gesamten ersten Akt in lyrischer Breite zerfasern ließ, zum Teil kammermusikalisch schön im Klang, aber ohne innere Spannung, so daß es vermutlich langsamer schien, als es realiter war, weswegen die wenigen wirklich dramatischen Akzente wie "Dich selige Frau" und "Siegmund heiß ich" plötzlich extrem rasch wirkten. Auch später verwechselte sie ab und an Dramatik mit Tempo, etwa beim sinnlos gehetzten Vorspiel des zweiten Aktes und Wotans Eintritt im dritten Akt. Aber insgesamt war sie nach der ersten Pause doch ausgeglichener und mehr auf den großen Bogen bedacht.

Das zweite Problem ist die Szene. Ein Siegmund, der nicht mindestens 1,80 Meter groß, schlank und ein Temperamentsbolzen ist, ist im Parka und bei den geforderten lahmen Bewegungen eigentlich als Figur schon erledigt, bevor er den Mund groß aufmachen kann. Dabei sang Stig ANDERSEN gerade den ersten Akt - abgesehen vom reichlich gestemmten "Wälsungenblut" -wirklich gut, mit tadelloser Technik, angenehmem, relativ hellem, aber nicht grellen Timbre, sehr wortdeutlich und gleichzeitig schön auf Linie. Die Stimme ist keine "Röhre", aber sie kommt jederzeit gut über die Rampe, auch da, wo es Probleme gibt, die sich im zweiten Akt in den tiefliegenden Passagen der Todverkündung einstellten, der fast obligaten Schwachstelle aller nicht baritonal grundierten Tenöre.

Nicht recht klug bin ich aus Heidi BRUNNERs Sieglinde geworden. Im ersten Akt versuchte sie offenbar, die Stimme in der tieferen Lage breiter zu machen als sie ist, was nicht nur zu einem hörbaren Registerwechsel führte, sondern auch zu Problemen mit größeren Intervallen nach oben, die häufig eine Spur zu tief gerieten. Zudem hinterließen hier weder Timbre noch Phrasierung bleibenden Eindruck. Im zweiten Akt gelangen ihr dann etliche wirklich erfüllte, tonschöne lyrische Passagen, während sie im dritten dann an Grenzen stieß, da war mancher höhere Ton nicht weit vom Schrei - wobei der Totaleinsatz, den sie dabei bot, durchaus beeindruckend war.

Mikhail PETRENKO wiederholte seinen intelligent gestalteten Hunding, mit dem er herausholt was im szenischen Rahmen der Wohnsilo-Küche machbar ist. Für ein "mehr" würde es auch in anderem Rahmen allerdings möglicherweise sowohl an Schwärze als auch an schierer Power fehlen.

Als ausgesprochen homogen klangschön erwiesen sich wieder die Walküren Miriam GORDON-STEWART, Hellen KWON, Katerina TRETYAKOVA, Maria-Cristina DAMIAN, Katja PIEWECK, Renate SPINGLER, Ann-Beth SOLVANG und Deborah HUMBLE. HK