"DEATH IN VENICE" - 29. April 2009

Benjamin Brittens letzte Oper wurde in der Inszenierung von Ramin GRAY heftig akklamiert. Das Bühnenbild von Jeremy HERBERT ist karg, Venedig-Assoziationen finden nur da statt, wo sie unvermeidlich sind, die Kostüme (Kandis COOK) sind kleidsam und bleiben eher unauffällig. Eine leere Bühne muß allerdings auch gefüllt werden, und dies gelingt nicht immer ganz. Dieses Sehnen Aschenbachs nach Tadzio kommt nicht mit aller Konsequenz beim Publikum an, irgendwo fehlte es an der Nachvollziehbarkeit von Aschenbachs Gefühlen. Hier wäre etwas mehr seitens der Regie notwendig gewesen.

Stimmungsvoll hingegen waren die durch die beiden Windmaschinen erzielten Effekte, die Hebebühne in der Mitte, die benutzt wurde, um eine Gondel darzustellen oder um sich von dem Treiben abzusetzen, und vor allem die in mehreren Kreisen angeordneten Vorhänge als Symbol der vielen Gassen der Stadt, in denen man leicht verloren gehen kann; in jeder Bedeutung des Wortes.

Die alles beherrschende, siebzehn Szenen fast ununterbrochen auf der Bühne befindliche Hauptfigur Gustav von Aschenbach ist eine monströse Partie. Michael SCHADE steht sie durch, er ist ihr in jeder Sekunde stimmlich gewachsen. Es gelingt ihm auch, den Verfall, das Sehnen, die Zweifel mit der Stimme hörbar zu machen. Darstellerisch fehlten hier einige Nuancen; es ist schwer zu sagen, ob dies dem Sänger oder der Regie anzulasten ist.

Die diversen Verkörperungen des Travellers wurden von Nmon FORD gesungen. Der schon in "Billy Budd" und "A Midsummer Night's Dream" aufgetretene Bariton zeigt mit angenehmer von Falsetthöhen bis zu den Tiefen gleichmäßig gut klingender Stimme und einer schon unverschämt attraktiven Physis, daß er ein echter Widerpart der Hauptrolle darstellt.

Als Tadzio war der sechszehnjährige Tänzer der Ballettschule des Hamburg Ballett Gabriele FROLA zu sehen. Er zeigte für sein jugendliches Alter eine bereits beeindruckende Bühnenpräsenz und Haltung, so daß durchaus nachvollziehbar war, daß er Aschenbachs Aufmerksamkeit erregte.

David DQ LEE sang die Stimme des Apollo aus luftigen Höhen sicher und ohne den manchmal für mich irritierenden Klang, der einigen Countern zu eigen ist.

Die vielen kleinen Rollen werden allesamt auf hohem Niveau gesungen. Miriam GORDON-STEWART, Trine W. LUND, Daniela KAPPEL, Eleonora WEN, Ulrike GOTTSCHICK, Deborah HUMBLE, Mariusz KOLER, Seong-Woog CHOI, Kyung-Il KO und vor allem Vida MIKNEVICIUTE, Benjamin HULETT, Moritz GOGG, Jun-Sang HAN, Hee-Saup YOON und Wilhelm SCHWINGHAMMER bewiesen die Leistungsfähigkeit des Hamburger Ensembles. Lobend erwähnen muß man auch die Darsteller der Kinder und den CHOR (Leistung: Florian CSIZMADIA).

Simone YOUNG hat eine Affinität zu Brittens Musik, das konnte man schon in den vorherigen Produktionen erkennen. Sie atmet die Musik förmlich mit. Mit den PHILHARMONIKERN HAMBURG schafft sie ein durch hörbares, nie langweiliges Porträt des Spätwerkes, immer voller Rücksicht auch die Sänger. MK

P.S.: Frage in der Pause: "Woran erkennt man, daß in Hamburg Britten gespielt wird?" - "Jemand wird vom Schnürboden herabgelassen und singt, und Nmon Ford läuft barfuß über die Bühne…"